Geld für morgen, nicht gestern!

Es gabe eine Aktion von „wemove.eu“ zu den anstehenden Wirtschaftshilfen der EU, dazu habe ich auch eine Mail an die Abgeordneten von Sozialdemokraten und Konservativen verfasst:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

bitte haben Sie den Mut, eine Welt mit zu gestalten, in der wir alle leben können. Dafür braucht es eine EU, die als demokratisch wahrgenommen wird. Und dafür braucht es mehr Verteilungsgerechtigkeit, mehr Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz. Alle diese Kernthemen für unsere Zukunft stehen zur Entscheidung, wenn Sie am Mittwoch über Wirtschaftshilfen diskutieren. Dass große Konzerne dabei eine gewisse Position haben ist klar.
Bitte unterschätzen Sie Ihre (und unsere) Position nicht! Aus Sicht einiger Unternehmensvertreter dürfte das ein Basar sein: wer härter verhandelt, holt mehr raus. Halten Sie dagegen, wenn es um Partikularinteressen geht, verlangen Sie eine Zukunftsperspektive für uns alle – im Gegenzug für Ihre Hilfen. Das ist ja wohl das Mindeste, was die Empfänger uns schulden. Für den BWLer im Unternehmen mag es ein Basar sein, für Sie als Politiker geht es um Gestaltungsspielraum und für den Planeten um die Zukunft! Brust raus, Herz auf 🙂

In wenigen Tagen wurde dieser Appell von mehr als 240.000 Menschen unterzeichnet. Ich bitte Sie dringend, in der öffentlichen Debatte auf den Appell Bezug zu nehmen: https://www.wemove.eu/wiederaufbau.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das Primat der Politik bestehen kann und dass Bürger*innen sehr wohl bereit sind, drastische Maßnahmen mitzutragen, wenn es klare Vorgaben und ein gemeinsames Ziel gibt. Das zeigt auch, was bei der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft möglich ist. Die Erzählung, dass nur funktioniert, was sich finanziell rechnet (natürlich von denen vorgetragen, die viel zu gewinnen und verlieren haben), hat ausgedient. Lassen Sie sich nicht vormachen, dass Konzerne wie VW, die mit Betrug den Erhalt ihrer alten Technologie sichern wollten, besser wüssten, was gut für unsere Zukunft ist! Deren Aufgabe ist es, Gewinne zu erwirtschaften, koste es, was es wolle. Ihre Aufgabe ist es, Weichen zu stellen, die diese Energien in Bahnen lenken, die dem Wohle aller dienen. Und die aktuelle Erfahrung zeigt: Sie können Weichen stellen. Politik und Zivilgesellschaft sind handlungsfähig.

Der Parlamentsbeschluss von Donnerstag muss unmissverständlich die Europäische Kommission und den Europäischen Rat auffordern, ein wirklich grünes, innovatives und sozial gerechtes Investitionsprogramm aufzulegen.

Mit freundlichen Grüßen, Jonas Pretzsch

Schulden zur Krisenbewältigung?

Wenn wir aktuell als EU (und andere staatliche Einheiten) klassisch Schulden aufnehmen, dann müssen wir die irgendwann (evtl. gar mit Zinsen) zurück zahlen. An wen? Na an Privatleute und Banken, die bereits jetzt vermögend sind, sonst könnten sie ja nix ausgeben/verleihen/investieren. Wenn das von normalen Steuerzahler*innen eingesammelt werden muss, wäre ja äußerst hart und ungerecht. (Das wäre dann wohl leider der Moment, an dem die AfD und ähnliche wie Phoenix aus der Asche ihres aktuellen Tiefs erstehen würde und erneut NICHT die wahren Missstände anprangerten, aber von Missständen, die alle spüren, profitierten.)

Also könnten doch (im Sinne der Modern Monetary Theory – MMT) die Zentralbanken einfach jetzt Geld mit vollen Händen austeilen (Stichwort Helikoptergeld). Das gäbe natürlich faktisch eine Inflation. die würde aber erst durchschlagen, wenn die Wirtschaft sich normalisiert. Und dann kann die Zentralbank die Geldmenge ja wieder reduzieren, Geld einziehen. Am besten per Negativzins, um Vermögen abzuschmelzen. Denn Zahlungen während der Krise gehen ja hauptsächlich an bereits Vermögende: wenn wenig Produktion und Dienstleistung entsteht und konsumiert wird, ist auch wenig Arbeit da. Und wer sein Geld durch Arbeit verdient, leidet. Wer hingegen leistungslose Einkommen hat (Mieteinnahmen, Dividenden, Aktienkauf, Geld verleihen) muss weiterhin bedient werden. – Wenn das zusätzlich ausgegebene Geld also genau an den stellen wieder eingesammelt würde, wo es sich dadurch konzentriert, wäre nur gerecht.

Um das klar zu stellen: die Zentralbank gibt zusätzliches Geld ins System, dieses fließt hin zu den vorhandenen Vermögen und wird dann wieder abgeschöpft. Es wird also nicht „den Reichen“ etwas weggenommen, von dem alle profitiert haben, sondern es wird übergangsweise der Kreislauf am Leben gehalten und genau das, was dafür zeitweise geschaffen wurde, wieder eingezogen. Darin besteht kein moralisches Problem. Vielleicht könnte man sogar eine Grenze für Vermögen einziehen und den Negativzins erst „erheben“, wenn die betreffende Summe bspw. 100.000€ überschreitet. Zusätzlich mit der Ausnahme, dass staatliche und gemeinnützige Institutionen sowie Firmen mit einem gewissen Schlüssel aus Angestellten zu Jahresgewinn ausgenommen werden. Wer also selbst eine relevante Rolle für das Gemeinwesen erfüllt, bleibt von Negativzins verschont.

Lernen aus Corona-Krise

Mir sind zur aktuellen Lage in der Corona-Krise ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen – Vermutlich geht es Ihnen ähnlich.
Mich hat zuerst mal überrascht, dass wir ein so simpel aussehendes, aber doch unlösbares Dilemma haben: immer fließt Geld im Kreis, wenn es plötzlich stoppt, ist es wie bei „Reise nach Jerusalem“, wenn die Musik aus geht – nur halt, dass mehr als nur ein Stuhl fehlt.
Konkreter: ein Restaurant muss schließen, weil es keine Gäste mehr aufnehmen darf, es muss sein Personal entlassen, die verdienen nix mehr, können evtl. keine Miete und kein Essen mehr bezahlen. Und: ein Autohersteller bekommt keine Teile aus China mehr, stellt die Produktion ein, seine regionalen Zulieferer müssen auch schließen – und eigentlich ihre Leute entlassen oder insolvent gehen. Und: ein Einkaufszentrum bekommt keine Kunden mehr, weil die nicht vors Haus wollen oder dürfen, also machen sie zu, haben aber laufende Kosten…
Weil also keiner mehr Geld vom anderen bekommt, gehen alle pleite. Moment mal?
Wieso fehlt eigentlich Geld, das in unveränderter Menge da ist, nur weil es nicht fließt? Könnten wir nicht alles einfrieren, Pausetaste drücken, wenn jemand eine Rechnung zu begleichen hat, wird einfach gesagt „machen wir, wenn es wieder weiter geht“? So wie Anschreiben in der Stammkneipe. Die Kette von abfließendem Geld wird unterbrochen.
Das einzige, was sich nicht pausieren lässt, ist Nahrungsmittel- und vielleicht Energie- Konsum. Könnte man das nicht staatlich auffangen (ohne dass ich konkret wüsste wie das geregelt sein kann)? Noch ein Gedanke zur Mietzahlung: wenn es so wäre, dass z.B. das Restaurant seine Mitarbeiterinnen entlassen muss, weil es keine Einnahmen mehr hat, aber die Miete müsste es weiter zahlen, wäre etwas grundsätzlich schief, das leistungslose Einkommen muss gezahlt werden, aber alle anderen nicht. Tendenziell würde das Einkommen für Menschen, die es nicht dringend brauchen (die meisten Vermieter sind vermögend und würden nicht hungern sobald diese Einnahme ausfällt – Sanierungen etc. können während einer Pandemie ruhen) weiter gezahlt werden auf Kosten derer, die davon leben müssen (Kellnerinnen und Köche z.B.). Daher: keine Leistung, die nicht absolut notwendigerweise erbracht werden muss, muss bezahlt werden. Also keine Restaurantgäste bedeutet keinen Lohn für den Gastronom, keine Löhne für sein Personal, keine Miete, kein Einkauf, keine Steuern – alles auf Pause. Das einzige was weiterlaufen muss, das ist die Versorgung mit Lebensmitteln, Zahlung nur an Bauern und Einzelhandel, das wird direkt durch einen Staatskredit oder aus dem Steuertopf finanziert. Solidarisch. Alle anderen Kettenglieder werden übersprungen. Denn sonst findet eine Art Schwarze-Peter-Spiel oder halt „Reise nach Jerusalem“ statt, jeder versucht sein Geld noch zu bekommen, obwohl alle wissen, dass irgendwer leer ausgeht. Unsolidarisch. Dieses Prinzip ist natürlich nur anwendbar, wenn es eine Naturkatastrophe, wie aktuell die SARS-CoV-2-Pandemie gibt. Also nur, wenn alle betroffen sind, aber niemand schuld ist. Oder vielleicht doch die Idee mit dem Grundeinkommen? Alle Bürgerinnen bekommen für die Dauer der Krise ein Grundeinkommen vom Staat, jeder kann überleben, für Gewinne, die darüber hinausgehen muss aber niemand aufkommen. Also der Autohersteller und das Einkaufszentrum haben Pech, wenn nun seine Aktien und Gewinne fallen, die Angestellten dort – sogar die Aktionäre – alle bekommen Grundeinkommen auf Staatskredit, Notversorgung. Niemand hat jetzt Anspruch darauf, ein sechsstelliges Gehalt zu bekommen, aber es wird auch niemand verhungern.
Was mir im Zuge dieser Gedankenexperimente auffiel: es ist eigentlich ein umgekehrtes Wörgl. Die alten Frei- und Regiogeld-Ideen beruhen darauf, Geld wieder zum Fließen zu bringen, weil die Krise die Unterbrechung wirtschaftlich sinnvollen Tuns war. Jetzt aber ist eine Unterbrechung wirtschaftlichen Tuns nötig (wie vielleicht anders skaliert und nicht auf alle Branchen bezogen, dafür aber zeitlich unbegrenzt, in der Klimafrage nötig
– Stichwort Postwachstum?). Welche Geldkreisläufe ermöglichen ein Herunterfahren der Wirtschaftsleistung auf das Überlebensnotwendige ohne Kollaps? Wenn das aktuelle Zeitfenster genutzt wird, darauf gute Antworten zu finden, könnte es ein großer Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit werden!
Der Gedanke wurde ja schon vorsichtig aufgegriffen, z.B. hier
und vielleicht haben Sie auch schon Gespräche dazu geführt: Corona schafft, was Klima-Politik nicht geschafft hat: auf einmal können wir anders handeln, 180-Grad-Wende – Menschen retten geht vor Wirtschaft, und Schaden an der Welt wird minimiert.
Weniger sinnfreie Produkte hergestellt, weniger Konsum, weniger Verkehr… Natürlich möchte auch ich nicht sagen „gut, dass Corona dazwischen kam“ – denn ganz klar ist es eine Katastrophe unter der viele leiden, noch viele mehr leiden werden und die Menschen tötet. Das ist nichts Wünschenswertes! Aber könnte es gelingen, den Ausnahmezustand als Blaupause dafür zu verwenden, was wir wirklich brauchen – und
worauf wir verzichten können bzw. sollten?
Wir brauchen Nahrung, medizinische Versorgung, politische und administrative Strukturen, Elektrizität, Wasser, digitale Infrastruktur und rücksichtsvolle Mitmenschen. Aber brauchen wir so viel Autoverkehr, so viele Flugreisen, so viel Shopping? Falls wir nun gezwungenermaßen mehr Ruhe und Zeit mit uns selbst haben werden – für viele ist ja aktuell noch Stress mit der Umstrukturierung von Arbeit und Kinderbetreuung – aber
wenn es plötzlich ruhig wird, können wir ja noch mal in uns gehen und wirken lassen, was uns wichtig ist und worauf wir verzichten können, wenn wir einsehen, dass Verzicht nötig ist. Vielleicht sind sich da die Rettung der Menschheit vor dem Virus und die Rettung des Planeten vor dem Kollaps des Ökosystems gar nicht so unähnlich.
Und was für ein Geldsystem brauchen wir dann? Kann es eines geben, das politisch flankiert auch Stillstand und einfach nur kostendeckendes Produzieren, Handeln, Dienstleisten aushält? Eines das nicht ständig wachsen und umlaufen muss, um zu funktionieren? Das als Tauschmittel aber zur Verfügung steht, wenn es eine Nachfrage danach gibt?

anders arbeiten und leben

Wie in meinen Gedanken über Arbeit und Sinn dargestellt, gibt es weitreichende Probleme mit dem bisher dominierenden Verständnis von beidem. Da aktuell alles derart verwoben ist, merkt mensch bei dem Versuch sich zu befreien schnell, dass es radikaler Schritte bedarf. Häufig war es nicht der Wunsch, radikal zu werden, und mensch gibt gleich wieder auf. Was kann ich schon tun? Durchdenken wir es mal:
Ich möchte sinnvolles tun. Dies wird häufig nicht bezahlt. Oder zumindest möchte ich mich nicht mehr an sozialer Ungerechtigkeit und Zerstörung des Planeten beteiligen. Dann werde ich nicht mehr bezahlt.
Ich wohne aber in der Stadt und brauche Geld für Nahrung und Miete. Meine bisherigen Jobs sind eher nicht nachhaltig und für die Gemeinschaft nützlich. Also entscheide ich mich für die Arbeitslosigkeit. Halt! Es gibt Arbeitslosengeld (ALG1 oder 2) nur, wenn ich Arbeitssuchende*r bin! Da haben wir wieder die Begrifflichkeiten, gemerkt? – Arbeit = Erwerbsarbeit und per se anzustreben! Ich kann also gar nicht bewusst keine Erwerbsarbeit mehr machen, weil ich sie als schlecht und sinnentleert empfinde, und stattdessen selber an etwas arbeiten, für das ich nicht bezahlt werde. Denn ich werde zur Erwerbsarbeit gezwungen. Interessant.
Wer hat denn daran Interesse? Wieso sollten wir eine solche Welt wollen? Wir nehmen diesen Zweifel mit, aber halten mal für möglich, dass das bürgerliche Mantra unterbewusst seinen Dienst tut und hier keine bewusste Verschwörung einzelner Puppenspieler vorliegt. (Ich halte eine Mischung für möglich.)
Das heißt also, wenn ich Verantwortung für die Folgen meines Handelns als Berufstätige*r übernehmen will, werde ich gezwungen, mich mit dem Staat anzulegen, da ich mich zumindest dem erklärten Anspruch der Behörde entziehen muss, jede bezahlte Arbeit anzunehmen. Würde ich das in dieser Richtung durchziehen, wäre schon recht radikal.
(Ist es nicht auch unmoralisch, dann von Steuergeldern zu leben?)

Welche Möglichkeiten habe ich noch? Ich könnte versuchen, meinen Geldbedarf zu minimieren. Ich sagte Stadt und Nahrung. Nun kann ich also versuchen, in ein alternatives Wohnprojekt zu kommen, wo ich keine Miete zahle. Und ich kann containern gehen und in einem Gemeinschaftsgarten selbst Lebensmittel produzieren. Damit bin ich aber auch recht radikal unterwegs: ausgeschlossen von Dingen, die dann doch mal Geld kosten, gezwungen, mich mit Leuten auseinander zu setzen, die ebenfalls aussteigen, viel Arbeitskraft in praktische Dinge stecken, die mir evtl. gar nicht liegen. Nagut. Vielleicht ist es alles doch ganz gut? Ein Leben führen, das mich dann zwingt, konsequent an der Umsetzung meiner Werte zu arbeiten. Weckt das nicht auch Begeisterung, ein Tiny House zu bauen und einen Garten anzulegen? Mit lauter Leuten, die das ebenfalls gerade ausprobieren? Also keine Experten, mit denen ich mich messe, sondern alles Anfänger*innen, die gemeinsam eine große Kraft entfalten können. Ich ergründe für mich mal, was ich da persönlich für machbar halte.

Was mir als Möglichkeiten zum alternativen Wohnen einfällt:

  • Gemeinschaftlich bauen (neu oder sanieren), Geld und Zeit können eingebracht werden, je nachdem, wer wovon mehr übrig hat, dann als Genossenschaft oder Eigentümergemeinschaft darin wohnen
  • Tiny House aus Fertigteilen oder komplett selbst bauen (eigenes Grundstück? gemeinsames Grundstück? gepachtetes Grundstück? als Siedlung Gleichgesinnter?)
  • Earth-Ship-Siedlung um gleich noch möglichst autark und nachhaltig zu sein
  • gefördertes Wohnprojekt finden (wenn es als maker-space oder Mehrgenerationenhaus fungiert?)
  • klassische Hausbesetzung
  • Blockhütte wie Einsiedler bauen (dürfte in Deutschland unmöglich sein, weil zu nah an Zivilisation, Land ist immer in Besitz, juristische Auflagen)
  • Dauercamper werden (mit Wohnwagen)
  • mit Bauwagen oder Wohnmobil nomadisch leben (rechtliche Grauzonen, Spritverbrauch?)

Was mir zur Ernährung einfällt:

  • Containern
  • Tafel usw.
  • Foodsharing
  • weitgehend Selbstversorgung (Schrebergarten, Gemeinschaftsgarten, auf Balkon oder um mobile Behausung in Kübeln, Sammeln, viel einkochen und fermentieren…)
  • solidarische Landwirtschaft (SoLaWi)

Arbeit und Sinn

Ein Mantra der bürgerlichen Gesellschaft ist, dass Arbeit sowohl etwas notwendiges, als auch rundum gutes sei. Beidem möchte ich widersprechen. Die Argumentation wird deutlicher, wenn ich mit „gut“ anfange. Ist es wirklich gut, wenn ein Immobilienmakler von der Vermieterin/Verkäuferin bestellt werden kann, der Mieter/Käufer auf ihn angewiesen ist, um einen Vertrag zu schließen, aber letztlich nur ordentlich draufzahlt? Dafür, dass der Makler im Zweifelsfall nur aufschließt, totalen Quatsch erzählt und dir eine Karte mit der Adresse gibt, an die du alle Unterlagen schicken sollst? Das wurde ja wohl weitgehend abgeschafft, eben weil es offensichtlich nicht fair ist. Aber bis dahin galt es doch als respektabel, wenn man sagt „ich bin im Immobiliengeschäft“?!?
Anderes Beispiel: eine Angestellte der Rüstungsindustrie, die Granatenzünder entwickelt, Raketenleitsysteme programmiert oder beim Aufbau der Fabriken im Ausland hilft, mit denen der Konzern die Export-Auflagen umgehen kann. Ist das gut, dass sie diese Arbeit macht?
Oder die Unternehmensberaterin, die viel verdient, deren Ratschläge von den namhaftesten Unternehmen befolgt werden, die ständig im Arbeitsmodus ist – das ist doch Leistungsprinzip pur, oder? Vielleicht rät sie aber auch nur zu geschickter Bilanzbuchhaltung mit Tochterfirmen (die sich alles gegenseitig in Rechnung stellen), wodurch der namhafte Konzern viel Steuern spart. Und sie rät, Angestellte zu entlassen und als Freelancer, Zeitarbeiter*innen usw. wieder anzustellen. Und sie rät, bei der Regierung den Fachkräftemangel anzuprangern, damit es Programme aus Steuergeldern gibt, die die Ausbildung finanzieren. Der Konzern kauft dann die berühmte eierlegende Wollmilchsau zum Einstiegsgehalt. Wo kämen wir als Wirtschaftsstandort denn hin, wenn sich nicht jederzeit 24-Jährige Masterabsolvent*innen mit drei Fremdsprachen, Praxiserfahrung und Reisebereitschaft über die Wochenenden finden ließen? Richtig! Das wäre ein skandalöser Wettbewerbsnachteil und schlichtweg Fachkräftemangel. Ist es gut, dass jemand diese Arbeit macht? Schön, dass sie einen gesellschaftlichen Druck auf alles und jeden erzeugen, dass jede*r mehr leisten und weniger kosten muss? Immer noch besser, diese Menschen machen in Immobilien, der Rüstung, dem Consulting als sie wären arbeitslos? Ich glaube nicht!
Es ist also nicht per se gut, dass jemand arbeitet, die entscheidende Frage ist was jemand arbeitet. Damit sind wir dann bei der Notwendigkeit. Jemand, der/die nichts beiträgt, hat auch keinen Anspruch auf Essen, ein Bett usw. – richtig? Mh, aber wenn der Beitrag darin besteht, einer alten Dame eine Versicherung zu verkaufen, die diese niemals brauchen wird, dann ist es ok, denn dieses Geld ist ja legal verdient worden? An den bereits genannten Beispielen wird deutlich, dass es jede Menge Arbeit gibt, die keinen Mehrwert für die Gesellschaft erzeugt, sondern Gewinn für wenige auf Kosten vieler. Wenn diese Menschen plötzlich nicht mehr arbeiten würden, würde dann ein nützlicher Beitrag fehlen? Hätten wir dann keine Betten und kein Essen mehr?

Hier kommt ein entscheidender Faktor hinzu, den wir gern übersehen: die Produktivitätssteigerung. Die Arbeitsmoral a la „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ macht dann Sinn, wenn wir jede*n brauchen, um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Und dann haben wir auch ganz andere Arbeit: dann haben wir Gruppen von Menschen, die sehen, was gebraucht wird. Die sich gegenseitig helfen. Das war teilweise sogar schon in der Mangelwirtschaft der DDR zu beobachten. Aber wenn es wirklich ums Überleben geht, wird Arbeit als sinnvoll erlebt. Wenn ich eine Hütte brauche, um im Winter nicht zu erfrieren, bin ich motiviert, diese Hütte fertig zu bekommen. Wenn ich Hunger habe, lege ich auch ein Feld an oder gehe Beeren und Wurzeln sammeln. Dafür muss mich keiner bezahlen! Dafür muss kein Wecker klingeln und ich mir die Frage stellen „wofür zur Hölle, soll ich jetzt eigentlich aufstehen?“.
Nächster entscheidender Faktor, den wir oft übersehen: Arbeit ist nicht gleich Erwerbsarbeit. Ich kann sehr wohl etwas sinnvolles schaffen, ohne dass mich jemand dafür bezahlt! Heute wird allerdings synonym verwendet „arbeiten = irgendwas tun, wofür ich bezahlt werde“. Das möchte ich mit dem Kontext, welcher hier hergestellt wurde, radikal in Frage stellen.

Lasst uns loben, was wir aus intrinsischer Motivation tun, anstatt aus dem Zwang heraus „Geld zu machen“. Lasst uns immer die Frage stellen, welche Folgen unser Handeln hat – wer leidet darunter, wer profitiert davon? Lasst uns dem bürgerlichen Mantra „(Erwerbs-)Arbeit ist notwendig und gut“ abschwören. Lasst uns wagen, unsere Zeit für das zu nutzen, was wir selbst für sinnvoll halten. Und ja, hier wird es plötzlich kompliziert und radikal. Wenn ich gerade zur Miete und in der Stadt wohne, dann brauche ich doch Geld, um meine Bedürfnisse zu befriedigen. Was soll ich tun? Hier einige Gedanken zu den möglichen Lösungen.

Noch einmal zur Produktivität: de facto verläuft die wirtschaftliche Entwicklung mit Kapitalismus und Industrialisierung so, dass nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse, welche mit immer weniger Aufwand möglich wird, neue Bedürfnisse geweckt werden müssen. Es werden sogar Kriege geführt um Absatzmärkte zu erobern. Es werden Millionen für die Werbung ausgegeben und Produkte absichtlich so hergestellt, dass sie nicht lange halten. Alles, damit weiter produziert und konsumiert werden kann. Alles nicht neu? Eben. Wieso ist es dann so schwer, sich vorzustellen, dass wir gar nicht alle Menschen im Arbeitsprozess brauchen würden?

Es gab in den 60iger Jahren Science-Fiction-Werke, in denen mensch sich vorstellte, dass künftig Roboter die Arbeit für uns machen. Menschen könnten dann alle Künstler und Philosophen sein, da wir nicht nur Zeit dafür, sondern auch den Kopf frei hätten. Eigentlich sind wir an diesem Punkt angekommen. Da sich die Gesellschaft aber eher entlang der wirtschaftlichen Effizienzlogik entwickelt hat, anstatt den Wert von Zeit und Arbeit neu zu definieren, müssen wir Angst haben, den Arbeitsplatz zu verlieren, anstatt uns darüber zu freuen ihn nicht mehr zu brauchen. Warum? Weil Erwerbsarbeit weiterhin die einzig legitime Möglichkeit ist, am Verteilungsmechanismus der geschaffenen Werte teilzuhaben.

Mögliche Lösungen sehe ich im Grundeinkommen und der Besteuerung der Arbeitsleistung von Maschinen.

kapitalistische Umverteilung

eine kurze Erklärung (Achtung, leicht polemisch)

Wann gibt eine Bank einen Kredit? Wenn sie den plus Zinsen zurück bekommt. (ein weiteres Problem dabei ist die Geldschöpfung durch Kreditvergabe)
Wann investiert ein Unternehmen mittels so aufgenommenen Kredits z.B. in neue Maschinen? Wenn es einen hohen ROI (return on investment) hat.
Beide tun das, was vermeintlich – und nach neoklassischer Theorie – gut für alle ist, also dann, wenn sie dafür mehr zurück bekommen, als sie reingesteckt haben. Wo kommt dieses „Mehr“ her?
Z. B. von den Konsumenten, die das mit neuen Maschinen produzierte Produkt kaufen. Also in der Masse von einfachen Leuten. = Umverteilung von unten nach oben!
Kapitalistisches Prinzip: wer Kapital hat, kann es zu seinem Gewinn einsetzen.
Wer bereits eine Bank besitzt, verdient. Wer bereits eine Firma hat oder anderweitig genug Mittel (Sicherheiten), um den Kredit zu bekommen, verdient. Wer nur zur Masse gehört, bezahlt. Bekommt dafür im besten Fall ein Produkt, das kurz glücklich macht oder schlicht benötigt wird.
Wer zahlt noch drauf? Diejenigen, die auf den Rohstoffen sitzen, die für das Produkt abgebaut werden. Die Tiere, die da gelebt haben, wo jetzt die Fabrik steht. Die Menschen, die die Maschinen bedienen müssen (denn wahrscheinlich steht die in China und das Produkt wird von Wanderarbeiter*innen in 12-Stunden-Schichten hergestellt – der möglichst hohe ROI, ihr erinnert euch?).
All diese Gruppen zahlen den versteckten Preis, damit es sich für „die Kapitalist*innen“ lohnt.

Ähnliches gilt für Privatbesitz an Immobilien und Land.
Beispiel: Immobilienkonzern, der Mietshäuser in Großstädten besitzt. Mindestens wenn er eine AG ist, hat er die Aufgabe, das von Investor*innen angelegte Geld zu vermehren (ist nach aktuellem Recht sogar dazu verpflichtet, alles zu tun, was den Profit der Anleger*innen sichert). Wie funktioniert das? Die Mietpreise müssen steigen oder die Ausgaben sinken oder neue Immobilien müssen unter Wert eingekauft werden etc.
Wer zahlt steigende Mieten? Normale Bürger*innen. Oder die Kommune aus Steuermitteln – beispielsweise für ALGII-Empfänger*innen. Damit sich also das Geld derer „vermehren“ kann, die bereits genug Geld zum Anlegen übrig haben, müssen andere mehr bezahlen.
Wer zur Miete wohnt und nicht selbst Wohneigentum hat, darf da im Schnitt gern als „unten“ zählen und wer angelegt hat oder selbst Wohneigentum besitzt, gern als „oben“ – erneut handelt es sich um eine Umverteilung von unten nach oben.

Sonderfall: Selbstausbeuter*innen. Also im Immobilienfall skurrile Bürger*innen, die sich dem kapitalistischen Prinzip unterwerfen, obwohl sie weder „oben“ noch „unten“ sind. Da gibt es z.B. Leute, die ärgern sich über ihre hohe Miete und überhaupt steigende Lebenshaltungskosten. Sie verdienen aber ganz gut. Nun gehen sie zu ihrer Bank und fragen, wie sie Geld anlegen können. Da muss doch was zur Seite zu legen sein, was „sich vermehrt“. Sie legen in einem Immobilienfonds an, denn die werfen gerade gute Gewinne ab. Glückwunsch! Nun ist er/sie Miteigentümer*in des Konzerns, der dadurch Rendite an Investoren (wie sie selbst) auszahlen kann, indem er drastisch Mieten (wie die eigene) erhöht. Das erinnert mich an die hungrige Schlange, die anfängt ihren eigenen Schwanz runterzuschlingen…

Das waren zu viele dreiste Behauptungen auf einmal? Schau hier nach den Quellen und Belegen: Geldschöpfung, Zins- und Wachstumsproblematik, Hierarchie der Ausbeutung (Achtung: musikalisch, satirisch, auf Englisch),

Das war dir jetzt zu negativ, wo ich doch den Silberstreif verspreche? Schau hier nach Lösungsansätzen: Regionalwährungen, Wirtschaft als Gemeinschaft, Gemeinwohlökonomie, im Alltag