Unfähigkeit

Ich möchte einfach mal die Gelegenheit nutzen, frustige Gedanken zu sortieren und damit vielleicht etwas von dem Frust loszuwerden.

Ich habe es mehrmals angedeutet bezüglich Reaktionen auf die Corona-Pandemie und die Klimakrise: das wirklich beängstigende ist nicht einmal das Problem, sondern die völlig inadäquaten Reaktionen darauf, die das Problem verschlimmern bzw. neue Probleme schaffen. Herausforderungen sind ja keine Katastrophe, wenn man sie gemeinsam angeht. Aber wenn sie offenlegen, dass die Mitmenschen eine Bedrohung für dich, sich selbst und andere sind, dass diese Menschen mit all ihren toxischen Verhaltensweisen bleiben werden – und der Schaden, den sie angerichtet haben – selbst wenn das Problem gelöst wäre… Das erschreckt mich. Und dieses Gefühl verstärkt sich durch immer neue (zugegeben oft medial vermittelte, also evtl. skandalisierend-verzerrte) Beobachtungen. Jetzt natürlich weniger Corona und mehr über den Umgang mit Putins Russland, die Krise der liberalen Demokratien, die Systemkonkurrenz mit China, die konkreten Auswirkungen in Form der (gefühlten) Energiekrise usw.

Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich gebe die Menschheit auf. Unrettbar. Und unwürdig gerettet zu werden.

Also einerseits waren wir schon so weit, dass es einen Diskurs über Postwachstum und die schnelle Abkehr von fossilen Energien gab. Und jetzt ist die einzige Frage, die Politiker*innen und Journalist*innen einfällt „wo sollen wir unser Gas herbekommen?“ und „es droht eine Rezession“. Droht? Ernsthaft? Rezession heißt nur, dass das ohnehin fragwürdige Maß für Wirtschaftswachstum, das BIP, unter Null sinkt. Das ist nicht schlimm, sondern notwendig! Zugegebenermaßen ist das noch implementierte Wirtschaftssystem auf Wachstum ausgerichtet und es wird rumpeln und Verwerfungen geben, wenn das Wachstum ausbleibt. Aber dass wir genau für dieses Rumpeln Lösungen finden müssen und nicht für stetig mehr Wachstum, ist lange bekannt. Den Druck der Krise, den (mal wieder) emotionalen Ausnahmezustand zu nutzen, um wieder in einen Zustand vor dieser Erkenntnis zurück zu kommen, ist verlogen. Und wer das nicht nur aus Selbstbetrug sondern vielleicht sogar kalkuliert und strategisch macht, ist nicht nur verlogen sondern niederträchtig. Ende der Durchsage.

Aber nicht nur die Größen aus Wirtschaft, Politik und Medien frustrieren mich, sondern auch das einfache Volk. Noch immer gibt es die kindische Gewohnheit gegen ein Problem zu demonstrieren. Eine sinnvolle Demonstration aber richtet sich auf das Verhalten anderer Menschen. Ich kann Alternativen vorleben oder eine Lösung, die mir gut erscheint, einfordern. Ich kann eine andere Lösung als schlecht kritisieren. Oder ich kann „gegen den Krieg“ oder „gegen steigende Preise“ demonstrieren. *facepalm*

Natürlich erfüllt das einen Zweck: wenn ich selbst nicht die Verantwortung für einen Vorschlag übernehme, sind nur die anderen (in der Regel „die da oben“) verantwortlich (in der Regel „schuld“). Ich brauch also weder wissen, wie es geht, noch selber dazu beitragen, noch akzeptieren, dass eine Lösung zu einem gewissen Preis kommt – ich verlange einfach, dass das Problem verschwindet. So einfach kann es sein.

Oder die simple Information, dass etwa 80% der Waldbrände von Menschen verursacht sind – fahrlässig oder gar absichtlich. Wenn wir uns einer apokalyptischen Klimakrise gegenüber sehen, mit Dürre in halb Europa usw. Und die Menschen nicht erst daran scheitern, auf nachhaltige Energieerzeugung und Landwirtschaft umzusteigen, sondern schon daran, nicht selbst die letzten Wälder abzufackeln (und das teilweise gar aus boshafter Absicht) – wieviel Hoffnung macht das dann für die Bewältigung des eigentlichen Problems?

Ich habe diesen Beitrag gehört: https://www.deutschlandfunkkultur.de/hartmut-rosa-mangel-uberfluss-100.html und möchte die Idee aufgreifen, dass Krisen offenbar das Potenzial haben, konservativ zu machen. Unter dem Druck eine Lösung finden zu müssen, greift der Mensch auf Routinen zurück. Extremsituationen erfordern den Überlebensmodus: also konzentriere ich mich auf mich selbst und wähle aus bekannten Optionen. Kreatives Überlegen und andere um Rat fragen und Bedürfnisse anderer empathisch wahrnehmen hat in diesem Modus keinen Platz. – Und das steht im Widerspruch zu dem sonst so gern verwendeten Bild von „Krise als Chance“. Der angenehm konstruktive und gebildete Dialog in diesem Beitrag möchte sich aber nicht davon abwenden und ergeht sich dann im theoretisch möglichen. Angenehm, ein schöner Besuch im Elfenbeinturm. Aber leider sehe ich in der realen Welt gerade die Überprüfung der Hypothese: ja, theoretisch sind beide Ausgänge plausibel beschreibbar, entweder macht Not erfinderisch und in Krisen steckt großes Potenzial zur Weiterentwicklung und „sich neu erfinden“ – oder sie lähmt eben die Kreativität und führt zu einem Hauen und Stechen im (gefühlten) Verteilungskampf. Was ich beobachte tendiert leider ganz klar zu letzterem. Damit ist der Bogen zum Anfang geschlagen.

Hier steh ich nun ich armer Tor und bin so ratlos wie zuvor: ich weiß auch (ja, ist mir bewusst, ich weiß nicht, ich glaube zu wissen…) wie man theoretisch alles besser machen könnte. Aber ebenso, wie die Klimaforschenden und andere, die die Welt gern besser machen würden, scheitere ich an den Mitmenschen, deren Verhalten und zugrundeliegende Denkmuster jeden Erfolg fruchtbarer / prosozialer /umweltverträglicher Veränderung im Keim ersticken. Stattdessen stehen die Zeichen auf nächstem Kalten Krieg und Besitzstandswahrung. Krise macht konservativ bis zur Selbstvernichtung. Die spinnen die Römer.