Schulden zur Krisenbewältigung?

Wenn wir aktuell als EU (und andere staatliche Einheiten) klassisch Schulden aufnehmen, dann müssen wir die irgendwann (evtl. gar mit Zinsen) zurück zahlen. An wen? Na an Privatleute und Banken, die bereits jetzt vermögend sind, sonst könnten sie ja nix ausgeben/verleihen/investieren. Wenn das von normalen Steuerzahler*innen eingesammelt werden muss, wäre ja äußerst hart und ungerecht. (Das wäre dann wohl leider der Moment, an dem die AfD und ähnliche wie Phoenix aus der Asche ihres aktuellen Tiefs erstehen würde und erneut NICHT die wahren Missstände anprangerten, aber von Missständen, die alle spüren, profitierten.)

Also könnten doch (im Sinne der Modern Monetary Theory – MMT) die Zentralbanken einfach jetzt Geld mit vollen Händen austeilen (Stichwort Helikoptergeld). Das gäbe natürlich faktisch eine Inflation. die würde aber erst durchschlagen, wenn die Wirtschaft sich normalisiert. Und dann kann die Zentralbank die Geldmenge ja wieder reduzieren, Geld einziehen. Am besten per Negativzins, um Vermögen abzuschmelzen. Denn Zahlungen während der Krise gehen ja hauptsächlich an bereits Vermögende: wenn wenig Produktion und Dienstleistung entsteht und konsumiert wird, ist auch wenig Arbeit da. Und wer sein Geld durch Arbeit verdient, leidet. Wer hingegen leistungslose Einkommen hat (Mieteinnahmen, Dividenden, Aktienkauf, Geld verleihen) muss weiterhin bedient werden. – Wenn das zusätzlich ausgegebene Geld also genau an den stellen wieder eingesammelt würde, wo es sich dadurch konzentriert, wäre nur gerecht.

Um das klar zu stellen: die Zentralbank gibt zusätzliches Geld ins System, dieses fließt hin zu den vorhandenen Vermögen und wird dann wieder abgeschöpft. Es wird also nicht „den Reichen“ etwas weggenommen, von dem alle profitiert haben, sondern es wird übergangsweise der Kreislauf am Leben gehalten und genau das, was dafür zeitweise geschaffen wurde, wieder eingezogen. Darin besteht kein moralisches Problem. Vielleicht könnte man sogar eine Grenze für Vermögen einziehen und den Negativzins erst „erheben“, wenn die betreffende Summe bspw. 100.000€ überschreitet. Zusätzlich mit der Ausnahme, dass staatliche und gemeinnützige Institutionen sowie Firmen mit einem gewissen Schlüssel aus Angestellten zu Jahresgewinn ausgenommen werden. Wer also selbst eine relevante Rolle für das Gemeinwesen erfüllt, bleibt von Negativzins verschont.

Das Grundeinkommen als Krisenhilfe

Es sieht gerade nicht gut aus für die EU, erst die fehlenden Einigungen über Flüchtlinge, dann die ganzen Neu-Rechten (bis hin zu Fällen wie Orbans“neuem Ungarn“) und jetzt kaum Handlungswille oder Handlungsfähigkeit bei Corona. Das Ganze vor dem Hintergrund künftiger Herausforderungen wie Klimawandel und Wechsel der Weltmächte. Es wird dringend Zeit, neue Wege zu beschreiten – mehr Solidarität, mehr Bürgernähe, Mut für neue Richtungen!

Vom Allgemeinen zum Konkreten: die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Shutdowns, müssen abgefangen werden. Die Schwachen allein (sowohl EU-Staaten, als auch Menschen) werden es nicht schaffen. Die EU muss handeln, um nicht in eine faktische Selbstauflösung zu schlittern. Rettungsschirme und Euro-Bonds sind im Gespräch, aber da gibt es keine klaren Favoriten und viele Unwägbarkeiten. Ein Grundeinkommen hingegen hat viele Vorteile: Es ist ein relativ leicht verständliches Werkzeug. Es setzt direkt bei den Menschen an ohne nach Macht zu fragen. Es würde sofort Wirkung zeigen – sowohl bei Popularität als auch als ökonomische Erst-Hilfe.

Bitte unterstützt die Idee: https://you.wemove.eu/campaigns/notfall-grundeinkommen

Und weil die EU leider alles andere als ein sicherer Partner dafür ist, macht es trotzdem Sinn, auch in Deutschland anzusetzen. Hier braucht es auch den Umweg über Initiativen wie WeMove nicht, hier gibt es direkt eine Petition über die Plattform des Bundestags: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_03/_14/Petition_108191.nc.html

Vielen Dank für Eure Unterstützung 🙂

Ein kleiner Nachtrag dazu: Wieso könnte es gerade jetzt gelingen das Grundeinkommen durchzusetzen, wieso ist das ein historisches Zeitfenster? Aus drei Gründen:
1. Wissen in der EU alle, dass sie jetzt große Summen in die Hand nehmen und schnell handeln müssen. Damit bietet sich das Grundeinkommen an, weil die Idee bereits viel diskutiert wurde in den letzten Jahren und mit einem geschärften Profil auch an Unterstützung gewonnen hat. Wenn schon Schnellschuss, dann lieber etwas, das man sich irgendwie vorstellen kann.
2. Damit greift aktuell das alte Lieblings-Argument, dass das alles nicht bezahlbar sei, kaum noch – denn alle Programme, über die jetzt nachgedacht werden muss, sind nach konservativer Haltung nicht finanzierbar. Es gelten plötzlich andere Gesetze für ökonomische Vernunft.
3. Brauchen wir uns um die (wie ich anderswo schon ausgeführt habe wohl unbegründete) Angst, dass sich mit Grundeinkommen alle nur noch auf die faule Haut legen würden, keine Gedanken zu machen. Aktuell sollen alle faul daheim bleiben – weniger arbeiten, weniger konsumieren.
Der Zeitraum für die Einführung eines Grundeinkommens (und sei es erstmal nur vorübergehend für die Notsituation) ist also so günstig wie noch nie! Dieser Schwung sollte genutzt werden.

Lernen aus Corona-Krise

Mir sind zur aktuellen Lage in der Corona-Krise ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen – Vermutlich geht es Ihnen ähnlich.
Mich hat zuerst mal überrascht, dass wir ein so simpel aussehendes, aber doch unlösbares Dilemma haben: immer fließt Geld im Kreis, wenn es plötzlich stoppt, ist es wie bei „Reise nach Jerusalem“, wenn die Musik aus geht – nur halt, dass mehr als nur ein Stuhl fehlt.
Konkreter: ein Restaurant muss schließen, weil es keine Gäste mehr aufnehmen darf, es muss sein Personal entlassen, die verdienen nix mehr, können evtl. keine Miete und kein Essen mehr bezahlen. Und: ein Autohersteller bekommt keine Teile aus China mehr, stellt die Produktion ein, seine regionalen Zulieferer müssen auch schließen – und eigentlich ihre Leute entlassen oder insolvent gehen. Und: ein Einkaufszentrum bekommt keine Kunden mehr, weil die nicht vors Haus wollen oder dürfen, also machen sie zu, haben aber laufende Kosten…
Weil also keiner mehr Geld vom anderen bekommt, gehen alle pleite. Moment mal?
Wieso fehlt eigentlich Geld, das in unveränderter Menge da ist, nur weil es nicht fließt? Könnten wir nicht alles einfrieren, Pausetaste drücken, wenn jemand eine Rechnung zu begleichen hat, wird einfach gesagt „machen wir, wenn es wieder weiter geht“? So wie Anschreiben in der Stammkneipe. Die Kette von abfließendem Geld wird unterbrochen.
Das einzige, was sich nicht pausieren lässt, ist Nahrungsmittel- und vielleicht Energie- Konsum. Könnte man das nicht staatlich auffangen (ohne dass ich konkret wüsste wie das geregelt sein kann)? Noch ein Gedanke zur Mietzahlung: wenn es so wäre, dass z.B. das Restaurant seine Mitarbeiterinnen entlassen muss, weil es keine Einnahmen mehr hat, aber die Miete müsste es weiter zahlen, wäre etwas grundsätzlich schief, das leistungslose Einkommen muss gezahlt werden, aber alle anderen nicht. Tendenziell würde das Einkommen für Menschen, die es nicht dringend brauchen (die meisten Vermieter sind vermögend und würden nicht hungern sobald diese Einnahme ausfällt – Sanierungen etc. können während einer Pandemie ruhen) weiter gezahlt werden auf Kosten derer, die davon leben müssen (Kellnerinnen und Köche z.B.). Daher: keine Leistung, die nicht absolut notwendigerweise erbracht werden muss, muss bezahlt werden. Also keine Restaurantgäste bedeutet keinen Lohn für den Gastronom, keine Löhne für sein Personal, keine Miete, kein Einkauf, keine Steuern – alles auf Pause. Das einzige was weiterlaufen muss, das ist die Versorgung mit Lebensmitteln, Zahlung nur an Bauern und Einzelhandel, das wird direkt durch einen Staatskredit oder aus dem Steuertopf finanziert. Solidarisch. Alle anderen Kettenglieder werden übersprungen. Denn sonst findet eine Art Schwarze-Peter-Spiel oder halt „Reise nach Jerusalem“ statt, jeder versucht sein Geld noch zu bekommen, obwohl alle wissen, dass irgendwer leer ausgeht. Unsolidarisch. Dieses Prinzip ist natürlich nur anwendbar, wenn es eine Naturkatastrophe, wie aktuell die SARS-CoV-2-Pandemie gibt. Also nur, wenn alle betroffen sind, aber niemand schuld ist. Oder vielleicht doch die Idee mit dem Grundeinkommen? Alle Bürgerinnen bekommen für die Dauer der Krise ein Grundeinkommen vom Staat, jeder kann überleben, für Gewinne, die darüber hinausgehen muss aber niemand aufkommen. Also der Autohersteller und das Einkaufszentrum haben Pech, wenn nun seine Aktien und Gewinne fallen, die Angestellten dort – sogar die Aktionäre – alle bekommen Grundeinkommen auf Staatskredit, Notversorgung. Niemand hat jetzt Anspruch darauf, ein sechsstelliges Gehalt zu bekommen, aber es wird auch niemand verhungern.
Was mir im Zuge dieser Gedankenexperimente auffiel: es ist eigentlich ein umgekehrtes Wörgl. Die alten Frei- und Regiogeld-Ideen beruhen darauf, Geld wieder zum Fließen zu bringen, weil die Krise die Unterbrechung wirtschaftlich sinnvollen Tuns war. Jetzt aber ist eine Unterbrechung wirtschaftlichen Tuns nötig (wie vielleicht anders skaliert und nicht auf alle Branchen bezogen, dafür aber zeitlich unbegrenzt, in der Klimafrage nötig
– Stichwort Postwachstum?). Welche Geldkreisläufe ermöglichen ein Herunterfahren der Wirtschaftsleistung auf das Überlebensnotwendige ohne Kollaps? Wenn das aktuelle Zeitfenster genutzt wird, darauf gute Antworten zu finden, könnte es ein großer Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit werden!
Der Gedanke wurde ja schon vorsichtig aufgegriffen, z.B. hier
und vielleicht haben Sie auch schon Gespräche dazu geführt: Corona schafft, was Klima-Politik nicht geschafft hat: auf einmal können wir anders handeln, 180-Grad-Wende – Menschen retten geht vor Wirtschaft, und Schaden an der Welt wird minimiert.
Weniger sinnfreie Produkte hergestellt, weniger Konsum, weniger Verkehr… Natürlich möchte auch ich nicht sagen „gut, dass Corona dazwischen kam“ – denn ganz klar ist es eine Katastrophe unter der viele leiden, noch viele mehr leiden werden und die Menschen tötet. Das ist nichts Wünschenswertes! Aber könnte es gelingen, den Ausnahmezustand als Blaupause dafür zu verwenden, was wir wirklich brauchen – und
worauf wir verzichten können bzw. sollten?
Wir brauchen Nahrung, medizinische Versorgung, politische und administrative Strukturen, Elektrizität, Wasser, digitale Infrastruktur und rücksichtsvolle Mitmenschen. Aber brauchen wir so viel Autoverkehr, so viele Flugreisen, so viel Shopping? Falls wir nun gezwungenermaßen mehr Ruhe und Zeit mit uns selbst haben werden – für viele ist ja aktuell noch Stress mit der Umstrukturierung von Arbeit und Kinderbetreuung – aber
wenn es plötzlich ruhig wird, können wir ja noch mal in uns gehen und wirken lassen, was uns wichtig ist und worauf wir verzichten können, wenn wir einsehen, dass Verzicht nötig ist. Vielleicht sind sich da die Rettung der Menschheit vor dem Virus und die Rettung des Planeten vor dem Kollaps des Ökosystems gar nicht so unähnlich.
Und was für ein Geldsystem brauchen wir dann? Kann es eines geben, das politisch flankiert auch Stillstand und einfach nur kostendeckendes Produzieren, Handeln, Dienstleisten aushält? Eines das nicht ständig wachsen und umlaufen muss, um zu funktionieren? Das als Tauschmittel aber zur Verfügung steht, wenn es eine Nachfrage danach gibt?