Schmarotzer?

Was heißt eigentlich arbeitslos? Ist es unmoralisch nicht zu arbeiten und sich von den anderen „durchfüttern“ zu lassen? Wie an anderer Stelle erörtert, ist ja nun Arbeit auch nicht immer so eine tolle Lösung. Aber kann es richtig sein, einfach allgemein von Arbeitslosengeld zu leben?

Ich denke in Anbetracht der hohen Produktivität unserer Wirtschaft ist es nicht notwendig, dass alle im klassischen Sinne arbeiten. Für die Einzelne*n ist es jedoch schon notwendig, etwas beizutragen. Rein psychologisch tut es schon mal sehr gut, für die Gemeinschaft etwas zu leisten. Also sollten Netzwerke gestärkt werden, wo alle etwas beitragen können. Als Vorbild kann das Ehrenamt dienen. Es braucht Raum, einander zu begegnen, um diese freiwilligen Beiträge zu ermöglichen.

In diesem Sinne finde ich ein bedingungsloses Grundeinkommen sinnvoll. Verglichen mit dem status quo (Arbeitslosigkeit, die stigmatisiert wird, und Arbeit, die krank macht oder massive Schäden bei Mitmenschen und/oder Ökosystem anrichtet) finde ich das moralisch überlegen. Außerdem ist die moralische Argumentation verzerrt: wenn jemand aus Faulheit nichts beiträgt und sich von anderen „durchfüttern“ lässt, ist das unter Umständen ein Problem. Diese Umstände heißen Mangel oder sehr harte Anstrengung, um die Bedürfnisse befriedigen zu können. Gelten diese aktuell? Ich denke nicht.
Und was ist Faulheit? Wie vorhin erwähnt, ist es psychologisch von hohem Wert, etwas beitragen zu können. Ich glaube daher, dass eine gut funktionierende Gemeinschaft Optionen anbietet, sich einzubringen (sei es durch Kunst, als Ratgeber*in oder andere Dienste). Und ich glaube, dass ein gesundes Individuum, das gelernt hat, in dieser Gemeinschaft seine Bedürfnisse sozialverträglich zu befriedigen (Aufgabe von Pädagogik), davon selbstständig Gebrauch machen wird. Jede*r wird ab und zu faul sein und einen „Null-Bock-Tag“ haben, aber ein gesundes Individuum in einer gesunden Gemeinschaft wird das nicht als Dauerzustand frei wählen. Autorität und Zwang sind an dieser Stelle (wie an allen anderen Stellen, wo etwas gut funktioniert) nicht nötig!

Ich glaube eher, die Betrachtung von „Schmarotzern und Nichtsnutzen“ beruht auf der Beobachtung dysfunktionaler Gesellschaften. Wo Menschen psychischem Druck ausgesetzt sind, wo sie gegen ihren eigenen Willen handeln müssen (zum Beispiel jede bezahlte Tätigkeit annehmen, mit Wecker aufstehen ohne zu wissen wofür) – und wo sie ausgebeutet werden – da lässt sich Antriebslosigkeit und Verweigerung beobachten. Aber das ist berechtigt. Wenngleich dieser Zusammenhang von den Betroffenen selten bewusst so erlebt und so nachvollziehbar begründet wird. Dafür sitzt die ständig wiederholte Begründung für diese angeblichen Notwendigkeiten viel zu tief in unseren Köpfen.
Das ist ein Zeichen für schlechte soziale Verhältnisse und nicht für schlechte Individuen. Wieso sollte ich motiviert sein, bei dem täglichen Einsatz für das Vermögen meines Chefs die Umwelt zu zerstören oder „unsere“ Kund*innen übers Ohr zu hauen? Richtig! Wenn solche Jobs der Normalzustand sind, sind auch unmotivierte Arbeiter*innen normal. Das ist kein Beleg dafür, dass jede*r prinzipiell lieber faul wäre und mit niemandem was zu tun hätte.