Symbolpolitik

…ein klassisches Problem und eine unerwartete Folge von Demokratie.

Wir denken „wenn die Bürger*innen mitbestimmen, kommt was gerechteres dabei heraus, die Bürger*innen sind zufrieden“ – stattdessen: eben weil die Bürger*innen entscheiden (Wahlen + Stimmungen), wird Politik gemacht um zu gefallen (die aber manchmal inhaltlich gerade nicht das ist, was die Gesellschaft braucht).

Symbolpolitik heißt: Entscheidungen treffen, die so klingen, als tut mensch etwas gegen ein aktuelles Problem, die aber nicht wirklich zum gewünschten Ergebnis führen (können).
Beispiel: Obergrenze für Zuwanderung. Klingt konkret, ist aber Unsinn, denn ein Einreisestopp ist gar nicht durchführbar, Recht auf Asyl bleibt – wir können also gar nicht pauschal nach Zahl ablehnen, Fluchtursachen bleiben, Frust im Inland richtet sich gegen Zuwander*innen kommt aber aus anderen Quellen, Radikale fühlen sich nicht beschwichtigt sondern bestätigt…

Wenn sich Politiker*innen für Symbolpolitik mehr Zustimmung erhoffen (können) als für echte Lösungen, entsteht Murks gerade DURCH das demokratische Verständnis (eigentlich wollen wir Bürger*innen ja, dass Politiker*innen „auf uns hören“).

Was wäre die Lösung?

  • Bürger*innen sind besser informiert und bereit nach Logik statt Bauchgefühl zu entscheiden.
  • Politiker*innen schlagen mehrere Lösungen vor und vergleichen, welche Folgen jeweils zu erwarten sind.

Warum passiert das nicht?

  1. Bürger*innen sind intellektuell und emotional ungebildet (Selbstreflexion „warum bin ich unzufrieden?“ „suche ich einen Sündenbock?“ „kenne ich die Zusammenhänge?“) bzw. zu beschäftigt mit anderem kein Vorwurf! Dafür können die Bürger*innen auch nicht (immer)!
  2. Wenn Politiker*innen mehrere Lösungen vorschlagen und die Folgen abwägen würden, wird deutlich, dass sie auch nicht alles wissen und beeinflussen können. Dadurch stehen sie nicht als starke Anführer da – das wünschen sich aber viele Menschen.
  3. Politiker*innen können sich beliebt machen und in Konkurrenz zu anderen Politiker*innen durchsetzen, wenn sie „laut poltern“ und einfache Antworten anbieten (Gegenmodell ist Angela Merkel, sie kündigt gar nichts an und entscheidet je nach Situation, was die Machtverhältnisse hergeben. Wer nichts verspricht, kann nichts brechen.)
  4. Wer sich durchsetzt entscheidet, also gibt es zwar Politiker*innen, die es ehrlicher und vorsichtiger versuchen, aber gerade WEIL wir eine Demokratie haben, kommen die selten an die Macht (kämen sie in einer Diktatur aber auch nicht).

Können wir also nur aufgeben – hat ja eh keinen Sinn?

  1. Dann wäre es womöglich noch schlimmer, weil jede Mahnung an Vernunft fehlt. Kritik, Fragen und alternative Ideen der Bürger*innen werden von Medien und Politiker*innen trotzdem wahrgenommen!
  2. Vielleicht lässt sich durch gutes Vorbild und Aufklärung der Prozentsatz derjenigen erhöhen, die echte Lösungen wollen. Viele Änderungen in der Politik haben durch soziale Bewegungen begonnen – Französische Revolution, Frauenwahlrecht, Umweltschutz…
  3. Erst wenn sich die Macht solcher Bewegungen zeigt, reagiert der demokratische Parteiapparat, sie sollen ja schließlich die Bürger repräsentieren, wenn es also keine konstruktiven oder (radikal) neuen Vorschläge aus sozialen Bewegungen gibt, was sollen Parteien dann repräsentieren? Eben. Immer die gleichen alten hilflosen Versuche, etwas zu ändern, ohne wirklich etwas zu verändern. Oder eben die destruktiven Vorschläge.

Das mit „Bürger ungebildet“ ändert sich gerade – Kitas und Schulen heute haben weniger autoritären Stil, Kinder üben Mitbestimmung (nicht als laissez faire sondern mit Verantwortung). Das ist zumindest eine Grundlage für neue Bürger*innen (und neue Politiker*innen, die waren ja auch mal Kinder). 

Bücher

Welzer, Harald (2013): Selbst denken… eine Anleitung zum Widerstand. Fischer-Verlag, Frankfurt
Ein großartiges Buch, weil es Zusammenhänge herstellt, die sonst häufig fehlen: zwischen Denken und Handeln, Gesellschaft und Individuum, Geschichte und Zukunft… Und es hat mich inspiriert ebenfalls mehr Wert auf Lösungen und ein positives Umdenken zu legen. Probleme treffend und pointiert zu beschreiben ist wichtig, aber es braucht – psychologisch – auch Gegenentwürfe, damit wir handlungsfähig bleiben. Das erklärt das Buch und macht es gleich vor.

Stiglitz, Joseph E. (2015): The Great Divide. Unequal Societies and What We Can Do About Them. W.W. Norton & Co., New York
(Gibt es auch auf Deutsch, hab es aber englisch gelesen, weiß nicht, ob es dann an Lesbarkeit und Eleganz verliert.) Eine Sammlung von Beiträgen und Artikeln zum Thema, die Stiglitz bisher geschrieben hat, alles miteinander verbunden und kommentiert. Einiges wiederholt sich da. Aber es ist eine gute Bestätigung – auch in der Diskussion mit Experten – dass ein über fachliche Zweifel erhabener Ökonom, die selben Probleme im Wirtschaftssystem und dem Umgang damit seitens Politik und Gesellschaft, sieht. Wer Details über Banken- und Finanzkrise, die Verlogenheit der neoliberalen Deregulierung und den Zusammenhang zwischen Umverteilung im Kapitalismus und sozialen Krisen wissen möchte, wird hier fündig.

persönlicher Hintergrund

Ich habe an der Technischen Universität Dresden Politikwissenschaft und Soziologie studiert (2003-2010). Darüber hinaus habe ich mich immer wieder mit politischen und gesellschaftlichen Themen beschäftigt. In meiner Jugend war ich von moderaten, protestantisch-christlichen Einflüssen (und der Wende) geprägt. Dann habe ich mich gegen Religion entschieden. Heute sehe ich das differenziert. Zumindest war es seither normal für mich, über Moral und Lebensgestaltung nachzudenken.

Letztlich ist mir gegen Ende des Studiums immer stärker aufgefallen, welche entscheidende Rolle die Wirtschaft spielt. Sie war irgendwie total wichtig, aber eine „black box“, die nur Experten verstehen. Trotzdem waren einige Fehler offensichtlich. Beispielsweise, dass Wirtschaftskriminalität (weiter gefasst „white collar crime“) viel größere Schäden verursacht als Raub oder Gelegenheits-Diebstahl, dafür aber irgendwie als Kavaliersdelikt angesehen wird. Wie kann das sein, dass die einen definitiv Unrecht tun, wenn sie Kaugummi und Cola klauen – während andere Millionen in Steuern hinterziehen, sich als Subventionen erpressen oder ihren Kunden zu Unrecht abbuchen, ohne dafür trennscharf als kriminell und unmoralisch wahrgenommen zu werden?

Spätestens mit der Finanzkrise 2008 – 2010 wurde offensichtlich, wie tiefgreifend das gesamte Wirtschaftssystem aus solchen Ungerechtigkeiten besteht, ohne dass die Gesellschaft sich einig wäre, dass dies als Unrecht verboten gehört. Da ich als Geisteswissenschaftler Probleme hatte, in dieser Zeit (nach Uni und Auslandspraktikum) eine angemessene Anstellung zu finden, habe ich mich erst recht damit befasst, was da los ist. Seither ist meine Überzeugung gewachsen, dass es sich um einen historisch erklärbaren Irrweg handelt. Und der Bürger kann sich sehr wohl eine Meinung darüber bilden, was da läuft und was da laufen sollte. Die oben genannten Experten, die als einzige die Wirtschaft verstehen, erinnern mich an „des Kaisers neue Kleider“. Da gibt es nicht soo viel, was man im Detail verstehen muss, um sich ein Urteil zu bilden: der Kaiser ist nackt!

Das ist der Hintergrund, soweit er unmittelbar zu diesem Blog führt, mehr schreibe ich hier erstmal nicht.

alte (verkrustete?) Demokratie

Die repräsentative Demokratie, wie wir sie bisher kennen, hat natürlich historische Gründe und ich möchte eines klar sagen: ich bin dankbar für die Möglichkeiten, die sie uns bietet. Ich bin all den Vorkämpfer*innen dankbar, die sich auch unter Gefahr für Leib und Leben dafür eingesetzt haben!

Allerdings hat dieses System auch Nachteile, die durch Gewöhnung aller Beteiligten nicht besser werden (Forderungshaltung der Bürger*innen, die ansonsten aber wenig Lust auf anstrengende Aushandlungsprozesse haben, Suche nach Lücken seitens Lobbyist*innen etc.). Außerdem ist Verhalten stark von Kultur geprägt. Unser allgemeines Rollenverständnis spiegelt sich in der Politik natürlich wider.

Eine Rolle, die wir sehr häufig haben, ist die der Konsument*innen. Wenn ich es mal auf die Spitze treibe: wir werden zu Konsument*innen erzogen und verlernen großteils etwas anderes zu sein.

Nicht in dem Sinne, dass Eltern sagen „du sollst nur eine Kaufentscheidung treffen…“, aber im Sinne, dass wir überall Vorbilder dieser Art präsentiert bekommen und durch unsere anonyme Massengesellschaft viele Räume entstehen, in denen wir automatisch diese Rolle einnehmen, weil für den vollständigen Umfang einer sozialen Interaktion Zeit, gegenseitige Kenntnis usw. fehlen. Ich gebe zu: manchmal ist auch mir das sehr recht, ich gehe gern mal einkaufen, ohne ergebnisoffen sozial interagieren zu müssen, aber denken wir weiter…

Weiter zu meiner leichten Übertreibung: Die heutige Demokratie ist reiner Consumerism! Wir machen nicht mit, sondern wählen nur aus dem aus, was uns vorgesetzt wird.

Als anständige*r Konsument*in erwarten wir dann natürlich, dass auch anständig geliefert wird. Was interessiert es uns, wie es hergestellt und verschickt wird?
Und auch die Parteien und einzelnen Politiker*innen, die uns etwas anbieten, haben sich vollständig darauf eingestellt: emotional manipulierende aber vage Werbeversprechen und möglichst glatte Oberfläche… Ist doch okay, einen Job zu machen, für den mensch bezahlt wird. Solange die Kunden kaufen, ist das Produkt austauschbar, oder?
Btw: Kennt ihr den „Tütensuppen-Totalitarismus“ von Marc-Uwe Kling?

Durch die reine (Selbst-)Beschränkung auf das Wählen aus gegebenen Angeboten, entsteht eine Entfremdung wie bei Marx vom Arbeiter und seinem Produkt. Also wir können uns aufgrund viel zu geringem Gestaltungsspielraums einfach nicht mehr mit dem Ergebnis identifizieren und das Gefühl von Stolz auf Erreichtes und schlichtweg des Sinns dessen, was wir da tun, geht verloren. Wir als reine Konsumenten von Politik entfremden uns daher also immer weiter von den politischen Themen und Verfahren.

Deshalb brauchen wir andere Verfahren mit echter Beteiligung und weniger Hierarchie. Hier einige Ideen und Vorschläge dazu.

Durch Wettbewerb als Methode in der repräsentativen Parteien-Demokratie entsteht (oder wird weiter gepflegt, obwohl sie aus anderen Bereichen kommt) eine Konkurrenzmentalität, die destruktiver als eine Konsensidee ist: Mensch nimmt sich gegenseitig die Stimmen weg, mensch versucht eigene Anträge und Gesetzesvorschläge durch zu bekommen – gönnt sie aber nicht „den politischen Gegner*innen“, mensch besetzt Themen für sich usw. – Statt gemeinsame Positionen und Bündnisse zu suchen, suchen Politiker*innen nach Wettbewerbsvorteilen. Das ist aber kein (zumindest nicht nur) menschliches Versagen, keine böse Eigenart der Beteiligten, sondern ein Konstruktionsfehler des politischen Systems. Wenn Macht nötig ist, um entscheiden zu dürfen und Macht daher kommt, dass mensch sich gegen andere behauptet, ist ja logisch, dass nur zwei Arten Politiker*innen übrig bleiben: die erfolglosen, die nie großen Einfluss haben und die, die im Machtspiel besonders gut sind. Also nicht unbedingt die, die wir eigentlich als Staatsbürger*innen brauchen: die besonders gute Entscheidungen für alle treffen. Auf die Güte von Entscheidungen haben wir nämlich nur sehr bedingten Einfluss, wenn zuerst der Erfolg im Machtspiel nötig ist, um entscheiden zu dürfen, wir dann nur bedingt sehen, wie etwas entschieden wurde und uns für das nächste Mal darauf verlassen müssen, was uns versprochen wird.

Ein weiteres wichtiges Kriterium im Auswahlverfahren für das Ausüben von Macht ist die Fehlertoleranz. Wenn Politiker*innen stets vorgeworfen wird, was sie versprochen, aber nicht eingehalten haben.

Anstatt, dass sie daran gemessen werden, was sie getan haben, um es zu erreichen, ob sie berechtigte oder faule Kompromisse eingegangen sind, ob es noch möglich ist, es im nächsten Versuch zu schaffen…

Dann brauchen wir uns natürlich auch nicht zu wundern, wenn die Politiker*innen, die schon länger im Geschäft sind und durch die Hierarchien ihrer Partei (sog. Ochsentour) an wichtige / verantwortungsvolle Positionen gekommen sind, besonders gut darin sind, nichts konkretes anzukündigen. Wenn sie um den heißen Brei herumreden müssen, damit sie hinterher nicht sofort an Aussagen, die sie mal gemacht haben, gemessen – und schnell aussortiert – werden, dann tun sie das natürlich: sie reden um den heißen Brei herum oder werden aussortiert. Das sind die Spielregeln, ist doch völlig klar, wer da auf Dauer gewinnt, oder nicht?

Noch ein Grund, warum Politiker*innen sich gern unklar ausdrücken: in kurzen Statements, wie sie über Medien verbreitet werden, kann mensch schlecht Kritiker*innen überzeugen. Da aber jede Stimme zählt (Konkurrenzprinzip), ist es erfolgversprechender, alle irgendwie anzusprechen. Also lieber irgendwas wohlfeiles dahergesagt, als durch ein Missverständnis oder eine Idee, deren Zeit noch nicht reif war, jemanden vergrault.
Ein weiterer Grund ist natürlich auch, dass Parteien in dem beschriebenen System immer eigene Positionen brauchen, sich die Beteiligten selbst als Konkurrent*innen empfinden und daher etwas anderes durchsetzen wollen, als die anderen. Demnach braucht es Verhandlungspotenzial für sog. Kuhhandel und Kompromisse, wo sie sich aufeinander zu bewegen. Würden Politiker*innen bereits vorher zuviele klare „ich möchte xy und das kann ich über z erreichen“-Aussagen machen, hätten sie weniger Spielraum, für diese Deals einer Umsetzung. Wie ein gemeinsames Ergebnis verkauft werden soll, entscheidet mensch besser hinterher.

Nochmal: all das sind Folgen der geltenden Spielregeln und kein individuelles Versagen, weil „die Politiker*innen“ alle blöd und / oder böse wären. Ein weiterer Baustein dieser Reihe ist die Symbolpolitik.

kapitalistische Umverteilung

eine kurze Erklärung (Achtung, leicht polemisch)

Wann gibt eine Bank einen Kredit? Wenn sie den plus Zinsen zurück bekommt. (ein weiteres Problem dabei ist die Geldschöpfung durch Kreditvergabe)
Wann investiert ein Unternehmen mittels so aufgenommenen Kredits z.B. in neue Maschinen? Wenn es einen hohen ROI (return on investment) hat.
Beide tun das, was vermeintlich – und nach neoklassischer Theorie – gut für alle ist, also dann, wenn sie dafür mehr zurück bekommen, als sie reingesteckt haben. Wo kommt dieses „Mehr“ her?
Z. B. von den Konsumenten, die das mit neuen Maschinen produzierte Produkt kaufen. Also in der Masse von einfachen Leuten. = Umverteilung von unten nach oben!
Kapitalistisches Prinzip: wer Kapital hat, kann es zu seinem Gewinn einsetzen.
Wer bereits eine Bank besitzt, verdient. Wer bereits eine Firma hat oder anderweitig genug Mittel (Sicherheiten), um den Kredit zu bekommen, verdient. Wer nur zur Masse gehört, bezahlt. Bekommt dafür im besten Fall ein Produkt, das kurz glücklich macht oder schlicht benötigt wird.
Wer zahlt noch drauf? Diejenigen, die auf den Rohstoffen sitzen, die für das Produkt abgebaut werden. Die Tiere, die da gelebt haben, wo jetzt die Fabrik steht. Die Menschen, die die Maschinen bedienen müssen (denn wahrscheinlich steht die in China und das Produkt wird von Wanderarbeiter*innen in 12-Stunden-Schichten hergestellt – der möglichst hohe ROI, ihr erinnert euch?).
All diese Gruppen zahlen den versteckten Preis, damit es sich für „die Kapitalist*innen“ lohnt.

Ähnliches gilt für Privatbesitz an Immobilien und Land.
Beispiel: Immobilienkonzern, der Mietshäuser in Großstädten besitzt. Mindestens wenn er eine AG ist, hat er die Aufgabe, das von Investor*innen angelegte Geld zu vermehren (ist nach aktuellem Recht sogar dazu verpflichtet, alles zu tun, was den Profit der Anleger*innen sichert). Wie funktioniert das? Die Mietpreise müssen steigen oder die Ausgaben sinken oder neue Immobilien müssen unter Wert eingekauft werden etc.
Wer zahlt steigende Mieten? Normale Bürger*innen. Oder die Kommune aus Steuermitteln – beispielsweise für ALGII-Empfänger*innen. Damit sich also das Geld derer „vermehren“ kann, die bereits genug Geld zum Anlegen übrig haben, müssen andere mehr bezahlen.
Wer zur Miete wohnt und nicht selbst Wohneigentum hat, darf da im Schnitt gern als „unten“ zählen und wer angelegt hat oder selbst Wohneigentum besitzt, gern als „oben“ – erneut handelt es sich um eine Umverteilung von unten nach oben.

Sonderfall: Selbstausbeuter*innen. Also im Immobilienfall skurrile Bürger*innen, die sich dem kapitalistischen Prinzip unterwerfen, obwohl sie weder „oben“ noch „unten“ sind. Da gibt es z.B. Leute, die ärgern sich über ihre hohe Miete und überhaupt steigende Lebenshaltungskosten. Sie verdienen aber ganz gut. Nun gehen sie zu ihrer Bank und fragen, wie sie Geld anlegen können. Da muss doch was zur Seite zu legen sein, was „sich vermehrt“. Sie legen in einem Immobilienfonds an, denn die werfen gerade gute Gewinne ab. Glückwunsch! Nun ist er/sie Miteigentümer*in des Konzerns, der dadurch Rendite an Investoren (wie sie selbst) auszahlen kann, indem er drastisch Mieten (wie die eigene) erhöht. Das erinnert mich an die hungrige Schlange, die anfängt ihren eigenen Schwanz runterzuschlingen…

Das waren zu viele dreiste Behauptungen auf einmal? Schau hier nach den Quellen und Belegen: Geldschöpfung, Zins- und Wachstumsproblematik, Hierarchie der Ausbeutung (Achtung: musikalisch, satirisch, auf Englisch),

Das war dir jetzt zu negativ, wo ich doch den Silberstreif verspreche? Schau hier nach Lösungsansätzen: Regionalwährungen, Wirtschaft als Gemeinschaft, Gemeinwohlökonomie, im Alltag

Alltag: kleine Handlungen für ein nachhaltigeres Leben

Dass (fehlende) Nachhaltigkeit viel mit Konsumverhalten zu tun hat ist wohl klar. Es geht um Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung und Ausbeutung anderer Menschen. Durch kleine Änderungen können wir in der Masse viel bewirken: also wenn viele Leute jeden Tag viele kleine Änderungen machen, kommt ganz schön was zusammen.

Also: was kann ich tun, um ein gutes Leben zu führen?
Verantwortung zu übernehmen führt zum Gefühl der Handlungsfähigkeit und macht damit zufriedener.

Einkauf:

  • Ernährung:
    • regional / bio / fair trade / verpackungsfrei   (wenn mindestens eins der Kriterien erfüllt ist, hilft schon viel)
    • z.B. Kaffee: fair gehandelt, Stempelsieb (french press) nutzen statt Filter/Kapsel (regional wird ja schwierig, aber so sind die Erzeuger*innen schonmal am Gewinn beteiligt und du vermeidest Müll, allein die Herstellung der Filtertüten und Logistik bis die in deinem Abfall landen…)
    • Was muss ich vllt. gar nicht kaufen? – kann ich selbst anbauen, containern, vom food-sharing holen?
    • Ist mir Fleisch wirklich Wert, was da dran hängt (Tierleid, Antibiotika-Einsatz, Hormone, Treibhausgase, Ressourcenwahnsinn durch Futtermittel)?
  • Hygiene:
    • Was brauche ich wirklich?
    • Weiß ich was drin ist (Tierversuch, Erdölprodukte)?
    • z.B. Deo als Pumpspray statt Treibgasdose kaufen. Und nur natürliche Inhaltsstoffe. (alverde bei dm, Natron, Wolkenseifen…)
    • Gibt es Hausmittel für meine Zwecke? Zum Beispiel kann man zumindest im Herbst auch mal mit Kastanien waschen, du kannst Öko-Spüli nehmen etc.
  • Bekleidung:
    • es gibt fair gehandelte Klamotten (z.B. armed angels, als eigene Kategorie bei OTTO, natürlich in Eine-Welt-Läden und Waschbär-Versand…)
    • ihr könnt sicher auch bei Kleiderkreisel, auf dem Flohmarkt oder second-hand-Läden etwas finden
    • ganz viele Hintergrundinformationen zum Thema unter saubere-kleidung.de (clean-clothes-campaign)
  • Technik:
    • z.B. Fairphone nutzen,
    • Dinge reparieren,
    • Dinge teilen (die berühmte Bohrmaschine, die in ihrem Leben wenige Minuten benutzt wird, aber jede*r glaubt, eine eigene zu brauchen)

Konsum allgemein: nur kaufen, was ich wirklich brauche. Muss ich neu kaufen oder hat es jemand übrig? Gibt’s das auf’m Flohmarkt? Gibt es in meiner Gegend einen Umsonstladen? (was übrigens häufig gleich Kontakt zu tollen Menschen ergibt)

Finanzen:

  • Geld zu einer Ethik-Bank bringen und bei Anlagen etc. auf die Folgen achten (Vergleich und Übersicht)
  • macht mich Geld wirklich glücklich? Wieviel Zeit und Nerven möchte ich darauf verwenden, Geld zu bekommen/nicht zu verlieren?

Geschenke: Bastel etwas oder schenk gemeinsame Zeit, statt Produkte zu kaufen! Mit Freunden/Familie etwas organisieren, was zur gemeinsamen Freizeit wird, ist ein lang wirkendes Geschenk für alle (also du beschenkst dich selbst mit und wenn das als Gruppe klappt, wirst du auch jedes Mal beschenkt, wenn die anderen schenken).

Verkehr: Brauche ich wirklich ein Auto? Muss es ein eigenes sein? Kann ich Mitfahrer mitnehmen? Radfahren ist psychisch und physisch gesünder!

Arbeit: Es ist mitunter nicht leicht zu lernen, aber mach nur, was zu dir passt. Lass dich nicht verheizen. Was ist dir wichtiger: Geld oder Zeit? Welche Bedürfnisse kann (Erwerbs-)Arbeit erfüllen? – Tut dein Job das? Welche Folgen hat dein Job global – stellst du etwas her oder machst eine Dienstleistung, die gut ist für die Welt? Sei mutig genug auszusteigen oder zu wechseln – die meiste Panikmache ist ein soziales Konstrukt und meistens sind die Folgen ganz andere oder weniger schlimm als befürchtet. Ich spreche da aus Erfahrung 😉

Engagement: Gibt es ein Herzensthema, wo ich mich in einem Verein / Initiative einsetzen kann? Gehe ich manchmal zu Treffen, motiviere ich andere, gehe ich auf Demos und Podiumsdiskussionen, unterzeichne ich Petitionen… ? Konstruktiv bleiben ist viel gesünder für dich und deine Umwelt. Versuche etwas zu bewegen, anstatt etwas aufzuhalten.

Allgemein zu den einzelnen Schritten oben: Wenn ich erst einmal begonnen habe, mein Leben zu ändern und auch Leute finde, denen das ebenfalls wichtig ist, macht es Spaß! Es ist viel mehr Erfolgserlebnis als Verzicht.  Es geht nicht um’s Ziele erreichen (nicht schlecht fühlen, für das, was ich „falsch“ mache), sondern um den Weg, den ich gehe. Freu dich über das, was passiert, während du unterwegs bist. 🙂

Für die ganz kritischen unter euch: natürlich ist Konsumverhalten allein keine echte Option für sozialen Wandel. Am Beispiel Demokratie