Politik und Consulting, Teil 2

Betrachtet mensch nun die andere Seite: also nicht Politiker*innen, die “nebenbei” auch beraten, sondern “the big four” im Consulting (KPMG, PWC, EY, McKinsey), die auch so ein bisschen in Politik machen… Tja, ihr ahnt es, dann ist das auch nicht besser.

Politik höchster Ebenen, vorrangig meine ich hier Ministerien auf Bundesebene, haben sich in letzter Zeit abhängig gemacht, von Beratungsleistungen der “big four”. Das ist auf diversen Ebenen falsch:

1. haben die Ministerien durchaus fähiges Personal – oder Mittel, dieses Personal zu befähigen

2. entsteht so eine Abhängigkeit, die entweder ausgenutzt werden kann, horrende Preise aufzurufen oder einfach gefährlich ist, weil die Ministerien immer verantwortlich sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, die Consultingfirmen aber nicht, wieder zur Verfügung zu stehen

3. ist hier nicht sichergestellt, dass die Beratung im Interesse der Allgemeinheit bzw. im Einklang mit den Zielen der jeweiligen Regierung ist, sondern sie kann (auch ohne böse Absicht) in eine Richtung verzerrt sein, die den sonstigen Zielen der “big four” entsprechen

4. werden ggf. schlicht Steuergelder verschwendet, weil z.B. Ursula von der Leyen (Beispiel rein zufällig) jemanden bei McKinsey (ebenfalls reiner Zufall) kennt, die genau das richtige Angebot für die Aufgabe hat (was dann nicht nachweisbar besser, nicht einmal nachweisbar gut, aber dafür nachweisbar teuer ist – so geschehen beim ohnehin anfälligen Bereich “Beschaffung” der Bundeswehr, vgl. meine Magisterarbeit)

5. werden komplizierte Vertragswerke fällig, wer wann wie was leisten muss – und häufig ist am Ende niemand haftbar – das untergräbt das Vertrauen in die Arbeit von Politik und Verwaltung (auch wieder rein aus interner Logik! Setzt keinen bösen Willen voraus!)

6. entstehen eigentlich die gleichen Probleme (teils, aber nicht vollständig, durch Punkte 1-5 abgedeckt), wie bei Public Private Partnerships (PPP) in anderen Bereichen entstehen – eine aufschlussreiche Doku dazu war bereits “Der geplünderte Staat” von 2014…

Was schließen wir nun daraus? Demokratische Politik unterliegt Forderungen nach Abstimmung und Transparenz. Es ist demnach notwendig, Beratungsleistungen für die Politik genau den gleichen Prinzipien zu unterwerfen. Wenn Beratungsleistungen zugekauft werden sollen, muss also in irgend einem Gremium abgestimmt werden, ob und nach welchen Kriterien das ausgeschrieben werden soll. Und die Verträge und Ergebnisse müssen offengelegt werden. Und dann wäre natürlich noch der Anspruch schön, dass in einem Staat wie Deutschland (über 80 Mio Einwohner, reiches Land, aktive Arbeitsmarktpolitik, hohe Zahl staatlich Beschäftigte*r), genügend internes Wissen verfügbar ist, um vorhersehbare Aufgaben allein mit Angestellten des öffentlichen Dienstes zu bewältigen. Wer behauptet, dass dies nicht gewährleistet ist, soll den Vergleich darlegen: was kostet es, diese Aufgabe “out-zu-sourcen” und was kostet es, dafür eigene Kräfte zu mobilisieren? Wenn mensch hier die Gründe 2-6 versucht gegenzurechnen, stelle ich es mir außerordentlich schwer vor, noch mit den “big four” als Lösung zu argumentieren…

Politik und Consulting

Da kürzlich die Frage aufkam, was eigentlich Politker (der Union) mit ihren Beratungsfirmen so während der Pandemie tun oder taten, möchte ich die Frage mal allgemeiner angehen.

Der Skandal: Politiker von CDU und CSU haben sich fürstlich entlohnen lassen, dass ihre Beratungsfirmen Masken besorgen können – eigentlich ein Cent-Artikel, aber eben aktuell rar… Wer schon hier Bauchdrücken bekommt, wegen dieser unangefochtenen Gültigkeit des Marktmechanismus (der ja auch in anderen Fällen eher der Marktmanipulation dient, als dem Wettbewerb) – der * die möge jetzt aufhören zu lesen.

Das ist natürlich unschön. Die Doppelrolle als Kümmerer bzw. Krisenbewältiger und dann auch noch als gewiefter Geschäftsmann, das hat G’schmäckle, das ist ein Interessenskonflikt. Aber was ist denn allgemein davon zu halten, wenn Politiker*innen nebenbei noch im Consulting tätig sind? Ist doch ganz natürlich, dass umtriebige Menschen, die wissen, wo und wie welche Entscheidungen zustande kommen, gut geeignet sind, andere Menschen in Entscheidungsfindung zu beraten, oder? Ist doch gut, wenn das Volk Vertretende wissen, was in der Wirtschaft gefragt ist… Berufspolitiker*innen, die jeden Bezug zur arbeitenden Bevölkerung verloren haben, kann doch keine*r wollen!? Naja, warum gehen die Vertretenden dann nicht putzen, um mal den Kopf frei zu kriegen? Oder ehrenamtlich was mit Senioren unternehmen? Oder Maschinen im produzierenden Gewerbe bedienen? Nagut, das ist jetzt polemisch. Ja, wieso eigentlich?

Gerade die Tätigkeit im Consulting liegt zwar nahe, ist aber äußerst problematisch. Das liegt einerseits daran, dass hier Insiderwissen aus der Politik (und gute Kontakte) an Lobby-Interessen weiterverkauft werden (können). Und in vielen Berufen gibt es klare Regeln im Arbeitsvertrag, dass kein Insiderwissen an Konkurrenten weitergegeben werden darf – warum soll das ausgerechnet beim Gemeinwohl anders sein? Warum unterschreibe ich bei einer Maschinenbaufirma, dass meine Ideen während der Arbeitszeit dem Unternehmen gehören und ich vielleicht sogar gesperrt bin, sechs Monate nach Ende des Arbeitsvertrags in derselben Branche weiterbeschäftigt zu werden – aber als Politiker*in darf ich zeitgleich alle Interna an interessierte Dritte verkaufen?

Und andererseits ist eine Erkenntnis aus der Betrachtung vieler Korruptionsskandale, dass Beratungshonorare eine der Lösungen par excellence sind, um Bestechungsgelder juristisch rein zu waschen. Sagen wir, ich habe als Politiker für eine Branche eine besonders günstige Regelung erwirkt oder dafür gesorgt, dass mein Ministerium die Einhaltung bestimmter Regeln ein paar Jahre nicht überprüft – das wäre doch aus Sicht des Branchenverbandes oder des führenden Unternehmens in diesem Bereich eine kleine Anerkennung wert, oder? Aber wenn ich nun plötzlich Summe X überwiesen bekomme, könnte das den Eindruck erwecken, ich wäre käuflich – pfui! Na, dann habe ich eben die Firma oder den Branchenverband beraten. Wegen meiner Expertise. Und ich habe ganz sicher fünf Stunden Fachgespräch mit denen geführt, Coaching, Erfahrungsaustausch. Und da mein Wissen und meine Fähigkeiten einzigartig sind, ist es vollkommen angemessen, dass ich für diese fünf Stunden (und die reichliche Vorbereitung, die ich dafür hatte) 580.000€ Honorar bekomme. Sie erinnern sich an den Marktmechanismus oben? Wenn das Angebot derart rar, aber nachgefragt ist, dann sind auch reichlich 100.000€ Stundensatz angemessen. Logisch oder? Nix verdächtiges dran. Beweisen Sie das Gegenteil!

Und das ist der Grund, warum ich diesmal keine Unschuldsvermutung habe. Die Erfahrung lehrt uns, dass es hier angemessen wäre, diese umzukehren: wer trotz Bundestagsmandats noch weitere Berufe ausüben will, soll deren Nutzen und Unbedenklichkeit nachweisen anstatt anders herum. Es gibt jede Menge bezahlter Tätigkeit, die ich für lobenswert und angebracht hielte, aber parallel eine Beratungsfirma zu halten, ist das verdächtigste, was ich als Politiker*in machen kann. Ende der Durchsage.