konkrete Vorschläge und Abwägungen (Corona)

Was wünsche ich mir konkret im Umgang mit Corona für 2022 und danach?

  • Keine Grabenkämpfe führen – bringt nix (Vergangenes: Schwamm drüber)
  • Veranstaltungen /private Treffen wieder ohne Kontrolle zulassen
  • Maske tragen freiwillig oder wenn selbst krank
  • Schnelltests überall erhältlich, aber Eigenverantwortung (evtl. Pauschalbetrag für Arme zugeben)
  • Nachsteuern sobald sich etwas ändert! – bei tödlicheren Varianten oder so wissen jetzt alle, was zu tun ist
  • Impfungen und Behandlungsmethoden weiterentwickeln
  • Wissenschaft forschen lassen und – ohne Hektik – wenn es was neues gibt, hören was sie zu sagen hat
  • Krankenhäuser unterstützen – was letztlich mehr Pflegekräfte mit besseren Arbeitsbedingungen und Abkehr vom kapitalistischen Prinzip bedeutet
    Gesundheit ist keine Ware sondern Grundrecht, Krankenhäuser sind öffentliche Daseinsvorsorge und nicht Renditebringer. Details dazu sind Gegenstand ganzer Bücher.
  • Verhältnis RKI zu Regierung klären (was ist gewünschte Verflechtung, was ist fragwürdig, wer hat welche Befugnis)

Nochmal zu meinem „Sinneswandel“ bezüglich Corona-Maßnahmen: aktuell ist ein Eindämmen des Virus, also der Wunsch nach Seuchenfreiheit durch null Infektionen völlig utopisch, die aktuellen Maßnahmen ändern kaum etwas am Ausmaß der schweren Erkrankungen und da die Alternative zu bewältigen ist – also nicht einfach reihenweise Menschen sterben – ist das einfach die neue Balance einer Kosten-Nutzen-Abwägung vor dem realen Hintergrund der Machbarkeit. Die gleiche Abwägung sah halt vor einem Jahr noch anders aus: Delta war viel schlimmer, Grundimmunisierung weniger gegeben und „Augen-zu-und-durch“ noch halbwegs glaubwürdig als Motto der Einschränkungen. Aber wo derzeit der scherzhafte Satz gilt „Omikron ist das neue Impfen“… Wer bereits geimpft ist, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit glimpflich davon und immunisiert sich weiter. Wer nicht geimpft ist, wird es damit – mit einem Risiko richtig krank zu werden, das er/sie selbst gewählt hat.

Was könnten wir sonst tun?

  • Null-Covid-Strategie – wie gesagt utopisch
  • Geimpften alles erlauben, Ungeimpften verbieten (Impfpflicht?)
  • nicht gerechtfertigt, da auch Geimpfte übertragen und sogar erkranken können (zumeist weniger schwer). Außerdem gilt das Argument nicht mehr, dass ich Rücksicht auf das Risiko der schweren Erkrankung aller nehmen muss, denn jeder hatte die Chance sich eine Meinung zu bilden und sich schützen zu lassen, wenn sie dann dennoch an der Beatmung oder im Sarg landen, war das ihre Entscheidung. Da (in aktueller Lage) nicht andere darunter leiden, weil deren Behandlung zum Systemkollaps führt, ist das ethisch ok, finde ich. Risikopatientinnen, die für ihre Schutzlosigkeit nichts können, leiden auch aktuell, ich glaube nicht, dass wir deren Lage deutlich verbessern können, indem wir Restaurants geschlossen halten oder Ungeimpfte unter Druck setzen. Auch das Aufschieben anderer Behandlungen ist langsam fragwürdig – war im Notfallmodus des ersten Jahres ok, aber nicht als Dauerzustand.

    Oder habe ich weitere, vielleicht viel bessere Optionen übersehen?

immer wieder Russland

Nun sage ich doch nochmal was zum Thema Russland. Vieles ließe sich übertragen, aber bleiben wir mal am Beispiel Ukraine-Konflikt. Eben weil die Nachrichten voll davon sind und es mir quasi als Wand ins Gesicht schlägt, dass hier schlichte Meinung postuliert oder gar Stimmung gemacht wird. So offensichtlich, wie es einem informierten Beobachter nur sein kann, wird einseitig dargestellt und tun sich Parallelen auf, zu Dingen, deren Wiederholung ich nicht zugeschaut haben will, als hätte ich nix gewusst.

Was meine ich konkret? Ich habe den Eindruck, dass hier Rhetorik verwendet wird, wie sie häufig vor einem Krieg zum Einsatz kommt. Die Zeitungen titeln „USA warnt Russland“ oder „Russland droht mit…“ und im darunter stehenden Text, der stark eingedampft einen Konflikt nachzeichnen soll, wird die Aneinanderreihung von Aussagen in keiner Weise der verzwickten Realität gerecht. Und wenn bereits der öffentliche Diskurs in Form der Medien-Echokammer derart eingeschränkt ist, dass als logische Konsequenz (scheinbar!) nur noch der offene Konflikt bleibt – mit militärischen oder mindestens abschottenden, sich gegenseitig schadenden Mitteln (dazu zähle ich auch Propaganda und Wirtschaftssanktionen) – dann ahne ich nix gutes.

Was mich daran besonders ärgert – die geneigte Leserin kennt es bereits von anderen Beiträgen hier – ist, dass wir für dumm verkauft werden. Die Adressaten der Medienbeiträge und die Wähler*innen, welche zum Zuschauen degradiert sind, weil es gar keinen demokratischen Streit um unterschiedliche Möglichkeiten gibt, werden so gut es geht rausgehalten und mit Unfug abgespeist.

So auch wenn pseudo-aufklärend getitel wird „was will Putin in der Ukraine?“ dann stellt sich mir die Frage: Wieso kommt kein*e Journalist*in auf die Frage „was will die EU in der Ukraine?“ – die Antworten dürften in beiden Fällen (!) sowohl legitime Ansichten als auch eher fragwürdige Eigeninteressen zutage fördern. Und dass wir diesen Schlagzeilen dominierenden Konflikt jetzt nicht hätten, wenn es keine Eigeninteressen (über Prinzipien des Völkerrechts hinaus) gäbe, dürfte ja selbst naiven Gemütern dämmern. Wo verteidigt die EU denn ähnlich vehement das Völkerrecht – in all diesen vielen himmelschreienden Fällen – wenn es da nix zu holen gibt?

mehr Beispiele

Der historische Blick auf die Ukraine wird auf eine Formel verkürzt: Ehemalige Sowjet-Republik (also gegen ihren Willen von Russland = Sowjetunion geschluckt – anders kann es bei keiner Sowjet-Republik gewesen sein), dann unabhängig geworden (also eine ganz normale souveräne Nation) und jetzt soll ihnen dieser Status erneut streitig gemacht werden – pfui!
Das Problem ist: das stimmt schlichtweg nicht. Die Ukraine war seit Bestehen ein Konglomerat, geprägt durch Wanderungsbewegung, Grenzverschiebung und Einflussnahme durch benachbarte Reiche. Die Kiewer Rus, die ihren Beginn markiert, ist gleichzeitig Gründungsmythos des russischen Zarenreichs (und dieser wird heute in Russland wieder verstärkt gepflegt). Die Krim war immer multiethnisch. Die Verhältnisse im Rest der heutigen Ukraine nie lange stabil und es zeigt sich, wie in so vielen anderen Regionen und Epochen, dass der Gedanke des Nationalstaats verheerend sein kann. Denn da wo sein Ideal einer Einheit aus Volk, Kultur und Staatsgebiet nicht gegeben ist, versuchen Nationalisten sie herzustellen. Wenn aber eine Volksgruppe nicht nur auf dem politischen Territorium der Nation lebt, sondern auch in benachbarten Gebieten, die eine andere Gruppe kontrolliert? Wenn eine andere Volksgruppe innerhalb des Staatsgebietes, das man selber kontrolliert, lebt? Wenn die Kultur gar nicht abgrenzbar ist? Wenn die politische Macht sich nicht zentralisieren lässt, weil es Geografie oder tradierter Herrschaftsanspruch durch Erbmonarchie nicht zulassen? Genau: Bürgerkrieg, Rassismus, Terror usw. Dieses Muster lässt sich überall erkennen, wird aber häufig nicht auf ihre gemeinsame Ursache zurückgeführt: die verhängnisvolle Idee vom Nationalstaat.

In der Ukraine ist bzw. war all das gegeben. Nachzulesen bspw. hier: https://www.bpb.de/izpb/209719/geschichte-der-ukraine-im-ueberblick

das schlechte Vorbild

Was weiterhin zeigt, dass wir entweder schlechten Journalismus oder irgendeine Form von Propaganda (vielleicht auch einfach aus unreflektierter Parteilichkeit) haben:
Russland werden Handlungsweisen vorgeworfen, die es eins-zu-eins vom Westen abgeschaut hat. Kürzlich gelesen „London wirft Russland politische Einflussnahme vor“ – das würden EU und USA natürlich nie machen! In einem anderen Land versuchen, Einfluss auszuüben, Bündnisse schmieden, Wirtschaftsbeziehungen eingehen (die ja nicht immer einfach nur offener Marktplatz heißen)… Grotesk, das als Vorwurf zu formulieren, oder?!
Oder mit Militär einrücken um „eigene Staatsbürger zu schützen“ – Gott bewahre, dass Russland in der Ukraine auf so eine Argumentation zurückgreift – da fällt dem Pentagon-Mitarbeiter ja vor Schreck der Panamahut vom Kopf… Achso… Beispiel Panama und US-Marines… Äh ja…
Oder dass Putin ausgerechnet dort Gebiete kontrollieren will, wo Bodenschätze liegen und sogar mit Militär droht, um seinen Zugriff zu sichern. Also sowas würden westliche Staaten natürlich niie machen!
Oder False Flag Operations in einer Revolutionssituation, wie damals auf dem Maidan 2014. Die USA haben ja noch nie „in ihrem Hinterhof“ eingegriffen, um mit geheimdienstlichen Aktionen politische Verhältnisse zu ändern. Wenn jetzt Putin beansprucht, die Ukraine (siehe gemeinsame Geschichte oben) als seinen Hinterhof zu behandeln und möglicherweise sogar verdeckte Operationen da durchführt… Also sowas geht natürlich gar nicht!
Und überhaupt diese Missachtung des Völkerrechts, z.B. als Feinde eingestufte Menschen in anderen Ländern, wohin diese sich extra geflüchtet haben, anzugreifen – das geht nun wirklich gar nicht! Wenn Putin Doppelagenten in London vergiften und Terroristen in Berlin erschießen lässt – ein Unding! Wenn die USA Leute, die sie als Islamisten verdächtigen, verschleppen und außerhalb ihres Staatsgebiets in Folterkeller sperren – das kann man ja verstehen. Oder Snowden oder Assange oder so…
Und die russische Wagner-Gruppe, also wenn ein Staat mit Söldnern operiert, damit es für „Fehlverhalten“ nicht haftbar ist oder den Einsatz in bestimmten Gebieten oder zu bestimmten Zwecken einfach abstreiten kann, was am Ende die Genfer Konventionen aushöhlt – was für eine Unsitte! Blöd nur, dass es die USA mit Blackwater im Irak ab 2003 vorgemacht haben. Hat noch jemand ein paar schöne Beispiele? Da schreibe ich mich glatt in Rage.

Was mich zum nächsten Beispiel der Bigotterie bringt, dem ich aber einen gewissen Dreh abgewinnen kann: wenn Deutschland jetzt (wie ich finde zurecht) syrische Folterknechte und Diktaturhelfer vor Gericht stellt, findet das im wesentlichen ein positives Medienecho. Und es wird vom Weltrechtsprinzip geschrieben – dass also Taten, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden, von jedem Land, wo sich die Täter oder Opfer befinden, verfolgt und zur Anklage gebracht werden können. Super Sache das! Dann können wir ja jetzt die ganzen CIA-Agenten (oder welchem Akronym auch immer sie zugerechnet wurden) anklagen, die z.B. damals Murat Kurnaz entführt haben.

Klarstellung

Ich möchte hier nicht als Putin-Freund auftreten, bin ich nicht. Ich wünsche mir einfach eine aufgeklärte und differenzierte Öffentlichkeit. Zumindest da, wo demokratische Öffentlichkeit geschätzt wird, sollte sie auch Praxis sein. Wenn der Westen – zurecht! – Russland und China vorwirft, demokratische Öffentlichkeit als Störenfried zu betrachten und zu verhindern (präventiv wie repressiv), dann ergibt sich daraus auch die Verantwortung, selber ein besseres Vorbild zu sein. Und ich habe klar den Eindruck, dass dies bezüglich des Ukraine-Konflikts (aber auch anderer Beispiele) stark vernachlässigt wird.

Umgang mit Corona – eine Chronologie

Ich war von Anfang an für Solidarität, vernünftige Regeln und deren Einhaltung. Am Anfang hieß das für mich:

  • Kontakte reduzieren
  • Abstand halten
    Denn denken wir uns nochmal rein: Masken waren noch nicht sehr verbreitet, von der Impfung gar nicht zu reden. Dann kamen die beiden hinzu:
  • Maske tragen wo viele Leute sind bzw. in Innenräumen
  • Impfen gehen seit das möglich war ohne sich „vorzudrängeln“

Warum hielt ich das für gesetzt?

  • Wir wussten noch nicht viel über das Virus – lieber Vorsicht als Nachsicht
  • Was wir recht schnell wussten: es kann sich jede*r anstecken, weil noch niemand natürliche Abwehr hat
  • Wenn sich jede*r anstecken kann und das dann exponentiell steigt, reicht es aus, dass nur 1% Behandlung im Krankenhaus braucht – also kein Killervirus oder so – aber selbst dann wäre schnell Gesundheitsversorgung und evtl. öffentliche Ordnung zusammengebrochen
  • Ein bisschen Rückzug und Innehalten ist nicht zuviel verlangt, wer vor oben genanntem Hintergrund dazu nicht bereit ist, muss echte Defizite haben (natürlich gibt es bestimmt Gründe, aber bei der nörgelnden Masse sah ich das nicht gegeben und die haben mich wirklich geärgert)
  • Es waren Notfallmaßnahmen auf Zeit (Am Anfang war ja sogar die Hoffnung das wäre nur, bis in weiten Teilen der Welt keine Ansteckungen mehr sind und dann vorbei)

Dann war langsam jede Menge Wissen verteilt:

  • wissenschaftliche Erkenntnisse zum Virus
  • Wir hatten Impfstoffe
  • Jede*r kannte die Verhaltensregeln und es war normal z.B. Maske zu tragen und keine Hände zu schütteln
  • Politik hatte einiges ausprobiert, Berater an ihrer Seite usw.

Damit änderte sich langsam etwas:

  • Der Schutz der Verletzlichsten war besser
  • Wer sich impfen lassen wollte, konnte diesen Schutz haben
  • Die Virus-Apokalypse nicht mehr zu erwarten
  • Nun hätten Regeln mit mehr Augenmaß und weniger persönliche Einschränkung greifen können

Leider gab es jede Menge Hickhack, schlechte Kommunikation und die Eigenlogik der Politik (nur für Gutes/Beliebtes verantwortlich sein wollen – alles schlechte waren die anderen; sich noch schön die Taschen füllen; Impfstoffe so empfehlen wie man sie eingekauft hat und nicht wie medizinisch empfohlen usw.). Das war dann nach über einem Jahr schon nervig, aber noch kein Grund alles hinzuschmeißen.

An der Stelle mal eine Einschätzung zu den „Impfgegnern“, „Corona-Leugnern“ und sonstigen aus diesem Contra-Lager: Dass bereits von Anfang an Verschwörungsmythen erzählt wurden, dass einige Leute bereits gleich zu Beginn, wo noch niemand was genaues über Corona wusste, ganz genau wussten, dass sie sich an keine Regeln halten müssen und dass sehr schnell die üblichen Demokratiefeinde bzw. Ablehnenden dieses Staates mitgemischt haben, zeigt für mich deutlich, dass es nicht um einen Beitrag zur Pandemiebewältigung (nichtmal um sachliche Kritik an der Einschätzung als Pandemie) ging.

Und wie sieht es aktuell aus? Nicht zufällig habe ich die Vorgeschichte nochmal nachgezeichnet. Denn aktuell laufen die Strömungen für mich auseinander und ich stehe zwischen den Stühlen. Mit den „Gegnern der Corona-Maßnahmen“ möchte ich mich eigentlich nicht vereinen, weil ich wie gesagt in deren Genese nix erkenne, was ich auch nur ansatzweise unterstützen will. Andererseits bin ich auch kein Freund der Pharmaindustrie. Und kein Freund der Einschränkungen aus Prinzip. So sinnvoll ich das Impfen fand, als es möglich wurde: eine Impfpflicht sehe ich kritisch. Schon allein, weil man damit rückwirkend die Schwurbler und Schreihälse bestätigt.

Wie ist die Lage denn jetzt, Februar 2022, mit Omikron usw.?

  • Krankenhäuser (vor allem Intensivstationen) laufen nicht voller mit drastischen Inzidenzen
  • Impfung schützt nicht vor Ansteckung und Weitergabe
  • Es ist nicht zu verhindern, dass Corona in der Menschheit zirkuliert
  • Alle werden sich früher oder später anstecken
  • Es gab bereits zwei Jahre Ausnahmezustand mit viel Hü-Hott
  • Die Nebenwirkungen der Corona-Bekämpfung übersteigen langsam den Nutzen

Was schließe ich daraus?

  • Wir sollten nüchtern die Realitäten abwägen (was ich im Ausnahmezustand zu Beginn ebenso empfand und da weitgehend gegeben sah!)
  • Aus Prinzip an der entstandenen Spaltung in „Team Vorsicht“ und „Corona ignorieren“ festzuhalten scheint sich so zu ergeben, ist aber blöd
  • politische Lager und Spielchen hin oder her, wir brauchen eine Exit-Strategie und einen Weg jenseits Inzidenzen und Eindämmung

Können wir jetzt also bitte wieder über alle Optionen und Zusammenhänge sprechen, ohne die eingeübten Worthülsen zu nutzen, die entweder als „Team Vorsicht“ oder „Coronaleugner“ identifizieren? Den anderen vorzuwerfen, wo sie grundsätzlich falsch liegen, hat noch nie den Nachweis ersetzt, wo/wie/warum man selber richtig liegt. Danke.

(konkrete Vorschläge hier)