Unfähigkeit

Ich möchte einfach mal die Gelegenheit nutzen, frustige Gedanken zu sortieren und damit vielleicht etwas von dem Frust loszuwerden.

Ich habe es mehrmals angedeutet bezüglich Reaktionen auf die Corona-Pandemie und die Klimakrise: das wirklich beängstigende ist nicht einmal das Problem, sondern die völlig inadäquaten Reaktionen darauf, die das Problem verschlimmern bzw. neue Probleme schaffen. Herausforderungen sind ja keine Katastrophe, wenn man sie gemeinsam angeht. Aber wenn sie offenlegen, dass die Mitmenschen eine Bedrohung für dich, sich selbst und andere sind, dass diese Menschen mit all ihren toxischen Verhaltensweisen bleiben werden – und der Schaden, den sie angerichtet haben – selbst wenn das Problem gelöst wäre… Das erschreckt mich. Und dieses Gefühl verstärkt sich durch immer neue (zugegeben oft medial vermittelte, also evtl. skandalisierend-verzerrte) Beobachtungen. Jetzt natürlich weniger Corona und mehr über den Umgang mit Putins Russland, die Krise der liberalen Demokratien, die Systemkonkurrenz mit China, die konkreten Auswirkungen in Form der (gefühlten) Energiekrise usw.

Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich gebe die Menschheit auf. Unrettbar. Und unwürdig gerettet zu werden.

Also einerseits waren wir schon so weit, dass es einen Diskurs über Postwachstum und die schnelle Abkehr von fossilen Energien gab. Und jetzt ist die einzige Frage, die Politiker*innen und Journalist*innen einfällt „wo sollen wir unser Gas herbekommen?“ und „es droht eine Rezession“. Droht? Ernsthaft? Rezession heißt nur, dass das ohnehin fragwürdige Maß für Wirtschaftswachstum, das BIP, unter Null sinkt. Das ist nicht schlimm, sondern notwendig! Zugegebenermaßen ist das noch implementierte Wirtschaftssystem auf Wachstum ausgerichtet und es wird rumpeln und Verwerfungen geben, wenn das Wachstum ausbleibt. Aber dass wir genau für dieses Rumpeln Lösungen finden müssen und nicht für stetig mehr Wachstum, ist lange bekannt. Den Druck der Krise, den (mal wieder) emotionalen Ausnahmezustand zu nutzen, um wieder in einen Zustand vor dieser Erkenntnis zurück zu kommen, ist verlogen. Und wer das nicht nur aus Selbstbetrug sondern vielleicht sogar kalkuliert und strategisch macht, ist nicht nur verlogen sondern niederträchtig. Ende der Durchsage.

Aber nicht nur die Größen aus Wirtschaft, Politik und Medien frustrieren mich, sondern auch das einfache Volk. Noch immer gibt es die kindische Gewohnheit gegen ein Problem zu demonstrieren. Eine sinnvolle Demonstration aber richtet sich auf das Verhalten anderer Menschen. Ich kann Alternativen vorleben oder eine Lösung, die mir gut erscheint, einfordern. Ich kann eine andere Lösung als schlecht kritisieren. Oder ich kann „gegen den Krieg“ oder „gegen steigende Preise“ demonstrieren. *facepalm*

Natürlich erfüllt das einen Zweck: wenn ich selbst nicht die Verantwortung für einen Vorschlag übernehme, sind nur die anderen (in der Regel „die da oben“) verantwortlich (in der Regel „schuld“). Ich brauch also weder wissen, wie es geht, noch selber dazu beitragen, noch akzeptieren, dass eine Lösung zu einem gewissen Preis kommt – ich verlange einfach, dass das Problem verschwindet. So einfach kann es sein.

Oder die simple Information, dass etwa 80% der Waldbrände von Menschen verursacht sind – fahrlässig oder gar absichtlich. Wenn wir uns einer apokalyptischen Klimakrise gegenüber sehen, mit Dürre in halb Europa usw. Und die Menschen nicht erst daran scheitern, auf nachhaltige Energieerzeugung und Landwirtschaft umzusteigen, sondern schon daran, nicht selbst die letzten Wälder abzufackeln (und das teilweise gar aus boshafter Absicht) – wieviel Hoffnung macht das dann für die Bewältigung des eigentlichen Problems?

Ich habe diesen Beitrag gehört: https://www.deutschlandfunkkultur.de/hartmut-rosa-mangel-uberfluss-100.html und möchte die Idee aufgreifen, dass Krisen offenbar das Potenzial haben, konservativ zu machen. Unter dem Druck eine Lösung finden zu müssen, greift der Mensch auf Routinen zurück. Extremsituationen erfordern den Überlebensmodus: also konzentriere ich mich auf mich selbst und wähle aus bekannten Optionen. Kreatives Überlegen und andere um Rat fragen und Bedürfnisse anderer empathisch wahrnehmen hat in diesem Modus keinen Platz. – Und das steht im Widerspruch zu dem sonst so gern verwendeten Bild von „Krise als Chance“. Der angenehm konstruktive und gebildete Dialog in diesem Beitrag möchte sich aber nicht davon abwenden und ergeht sich dann im theoretisch möglichen. Angenehm, ein schöner Besuch im Elfenbeinturm. Aber leider sehe ich in der realen Welt gerade die Überprüfung der Hypothese: ja, theoretisch sind beide Ausgänge plausibel beschreibbar, entweder macht Not erfinderisch und in Krisen steckt großes Potenzial zur Weiterentwicklung und „sich neu erfinden“ – oder sie lähmt eben die Kreativität und führt zu einem Hauen und Stechen im (gefühlten) Verteilungskampf. Was ich beobachte tendiert leider ganz klar zu letzterem. Damit ist der Bogen zum Anfang geschlagen.

Hier steh ich nun ich armer Tor und bin so ratlos wie zuvor: ich weiß auch (ja, ist mir bewusst, ich weiß nicht, ich glaube zu wissen…) wie man theoretisch alles besser machen könnte. Aber ebenso, wie die Klimaforschenden und andere, die die Welt gern besser machen würden, scheitere ich an den Mitmenschen, deren Verhalten und zugrundeliegende Denkmuster jeden Erfolg fruchtbarer / prosozialer /umweltverträglicher Veränderung im Keim ersticken. Stattdessen stehen die Zeichen auf nächstem Kalten Krieg und Besitzstandswahrung. Krise macht konservativ bis zur Selbstvernichtung. Die spinnen die Römer.

Doppelmoral

Mich müsste freuen, dass „die Weltgemeinschaft“ sich mal weitgehend einig ist. Und dass Sie einen Krieg verurteilt und das Grauen, das damit im Kriegsgebiet einhergeht – ebenso wie die diplomatischen Lügen und Ausflüchte des Verursachers und dessen Propaganda im Heimatland. Es ist großartig, dass das Notwendige gesagt wird. Endlich.

Ich komme aber nicht umhin, auch ungläubig den Kopf schief zu legen und die Augen zusammen zu kneifen. Moment, was habe ich da gehört?

Es soll sofort zur Anklage gebracht werden, dass ein anderes Land völkerrechtswidrig angegriffen wird? Natürlich soll es! Aber die EU und USA rufen das Russland zu. Die selben USA, die 2003 im Irak… Na gut, wenn es um die gute Sache geht, will ich mal nicht kleinlich sein. Was bringt auch dieses Aufrechnen. Saddam war ein Diktator. Auch wenn er erst von den USA aufgebaut wurde und sein Sturz das Leben im Land nicht besser gemacht hat…

Wenn Zivilisten getötet werden – und zwar als Folge der Taktik und der eingesetzten Mittel, nicht nur als „Ausrutscher“ – dann sind das Kriegsverbrechen, die vor Gericht gehören. Aber nur im Falle Russlands. Der „war on terror“ hat zwar ebenfalls nachweislich tausende Zivilisten das Leben gekostet, aber das ist ja etwas anderes. Sagen die zivilisierten Länder des Westens. Und die müssen es wissen. Kontroversen über juristische und moralische Abgründe des Drohnenkriegs hin oder her. Im Zweifel nennt man es halt hinterher einen Irrtum – obwohl die Argumente alle bekannt waren.

Und Leute, die im Land, das den Krieg führt, verhaftet werden, weil sie dagegen protestieren? Das ist ein ganz klares Zeichen für die Schuld des Unrechtsregimes! Wenn man als Landesverräter beschimpft wird, wenn man nicht zu den Streitkräften steht, ist das Repression. Und sollte es Kriegsverbrechen geben und man macht diese öffentlich, muss natürlich international gegen die Täter und Befehlsgeber verhandelt werden – und nicht etwa gegen die Whistleblower. Außer im Falle der USA. Die können weiterhin überall nach Völkerrecht rufen, aber selbst kommen sie mit Guantanamo und Abu Ghraib davon. Wer die Streitkräfte kritisiert wird als „unamerikanisch“ beschimpft. Chelsea Manning, Edward Snowden und Co. werden verfolgt. Den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erkennen die USA nicht an und haben sogar schon Sanktionen gegen ihn verhängt, als er unliebsam ermitteln wollte. Aber jetzt bei Putins Krieg? Da sind Ermittlungen und moralische Empörung erwünscht. Ist ja auch schlimm.

Scharfe Sanktionen sind eine logische Konsequenz gegen Staaten, die die Zivilgesellschaft unterdrücken und in ihrer Nachbarschaft Krieg anzetteln. Ist doch klar. Außer bei Saudi-Arabien. Denen liefert die Bundesrepublik seit Jahren moderne Waffen. Mit Diktatoren redet man nur begleitet durch Druck, damit sie endlich einlenken. Außer vielleicht, wenn sie einem Flüchtlinge vom Hals halten. Also diese furchtbaren uneuropäischen Flüchtlinge.

Oder Geheimdienstoperationen gegen Überläufer: also dass Putin Menschen wie Skripal, Litwinienko oder Nawalny vergiften ließ, ist ein klarer Beleg dafür, dass er ein Verbrecher ist. Was aber ist aus den Ermittlungen geworden, dass die CIA womöglich Assange umbringen lassen wollte? Bestimmt nur Propaganda. Wie überhaupt immer, wenn einer mit dem Finger auf den anderen zeigt. Außer natürlich bei „Feinden des Westens“ – auf die muss man sogar mit dem Finger zeigen, weil das geht gar nicht. Politiker, die früher mal von Partnerschaft mit Russland und vertrauenswürdiger Diplomatie geträumt haben, sollen jetzt gefälligst Abbitte leisten für ihre Dummheit. Es kann nur eine Meinung zum Ukraine-Krieg geben. Aber nur weil das weitgehend wahr ist, heißt das nicht, dass es keine anderen Wahrheiten gibt, über die sich mal zu reden lohnt.

Auf einmal ist alles schwarz-weiß. Die Polen verteidigen die Werte der EU gegen die Autokraten. Die Ukrainer dürfen an unser Gewissen appellieren, wenn sie Beteiligung am Krieg fordern. Die NATO muss aufrüsten. Die Flüchtlinge sind plötzlich willkommen. Atomkraft und Frackinggas, das meilenweit per Schiff kommt, sind irgendwie doch vernünftig. Katar usw. sind Partner für die Zukunft. Die Berichterstattung bringt jeden Tag fünf Updates desselben Informationsgehalts und spiegelt das Schwarz-Weiß genauso wieder, wie es nunmal da ist – das ist aber keine Propaganda. Propaganda ist immer, was der andere sagt.

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die Welt doch keine bessere geworden ist, weil sich plötzlich alle einig sind. Dass die Wiederentdeckung einer „Verteidigung unserer Werte“ nicht plötzlich konsequent zur Anwendung gebracht wird (also Recht gesprochen ohne Ansehen der Person). Und – wie kann ich an sowas auch nur einen Gedanken verschwenden? – dass wir in den Staaten, die ihre Probleme haben mit westlichen Tiraden von Menschenrechten als Begründung unserer Politik, dass wir dort nicht gerade an Glaubwürdigkeit gewinnen. Aber um die Glaubwürdigkeit der Menschenrechte geht es ja auch nicht. Jetzt müssen wir erstmal das Böse besiegen. Bloss nicht zögern und rumkritteln.

konkrete Vorschläge und Abwägungen (Corona)

Was wünsche ich mir konkret im Umgang mit Corona für 2022 und danach?

  • Keine Grabenkämpfe führen – bringt nix (Vergangenes: Schwamm drüber)
  • Veranstaltungen /private Treffen wieder ohne Kontrolle zulassen
  • Maske tragen freiwillig oder wenn selbst krank
  • Schnelltests überall erhältlich, aber Eigenverantwortung (evtl. Pauschalbetrag für Arme zugeben)
  • Nachsteuern sobald sich etwas ändert! – bei tödlicheren Varianten oder so wissen jetzt alle, was zu tun ist
  • Impfungen und Behandlungsmethoden weiterentwickeln
  • Wissenschaft forschen lassen und – ohne Hektik – wenn es was neues gibt, hören was sie zu sagen hat
  • Krankenhäuser unterstützen – was letztlich mehr Pflegekräfte mit besseren Arbeitsbedingungen und Abkehr vom kapitalistischen Prinzip bedeutet
    Gesundheit ist keine Ware sondern Grundrecht, Krankenhäuser sind öffentliche Daseinsvorsorge und nicht Renditebringer. Details dazu sind Gegenstand ganzer Bücher.
  • Verhältnis RKI zu Regierung klären (was ist gewünschte Verflechtung, was ist fragwürdig, wer hat welche Befugnis)

Nochmal zu meinem „Sinneswandel“ bezüglich Corona-Maßnahmen: aktuell ist ein Eindämmen des Virus, also der Wunsch nach Seuchenfreiheit durch null Infektionen völlig utopisch, die aktuellen Maßnahmen ändern kaum etwas am Ausmaß der schweren Erkrankungen und da die Alternative zu bewältigen ist – also nicht einfach reihenweise Menschen sterben – ist das einfach die neue Balance einer Kosten-Nutzen-Abwägung vor dem realen Hintergrund der Machbarkeit. Die gleiche Abwägung sah halt vor einem Jahr noch anders aus: Delta war viel schlimmer, Grundimmunisierung weniger gegeben und „Augen-zu-und-durch“ noch halbwegs glaubwürdig als Motto der Einschränkungen. Aber wo derzeit der scherzhafte Satz gilt „Omikron ist das neue Impfen“… Wer bereits geimpft ist, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit glimpflich davon und immunisiert sich weiter. Wer nicht geimpft ist, wird es damit – mit einem Risiko richtig krank zu werden, das er/sie selbst gewählt hat.

Was könnten wir sonst tun?

  • Null-Covid-Strategie – wie gesagt utopisch
  • Geimpften alles erlauben, Ungeimpften verbieten (Impfpflicht?)
  • nicht gerechtfertigt, da auch Geimpfte übertragen und sogar erkranken können (zumeist weniger schwer). Außerdem gilt das Argument nicht mehr, dass ich Rücksicht auf das Risiko der schweren Erkrankung aller nehmen muss, denn jeder hatte die Chance sich eine Meinung zu bilden und sich schützen zu lassen, wenn sie dann dennoch an der Beatmung oder im Sarg landen, war das ihre Entscheidung. Da (in aktueller Lage) nicht andere darunter leiden, weil deren Behandlung zum Systemkollaps führt, ist das ethisch ok, finde ich. Risikopatientinnen, die für ihre Schutzlosigkeit nichts können, leiden auch aktuell, ich glaube nicht, dass wir deren Lage deutlich verbessern können, indem wir Restaurants geschlossen halten oder Ungeimpfte unter Druck setzen. Auch das Aufschieben anderer Behandlungen ist langsam fragwürdig – war im Notfallmodus des ersten Jahres ok, aber nicht als Dauerzustand.

    Oder habe ich weitere, vielleicht viel bessere Optionen übersehen?

immer wieder Russland

Nun sage ich doch nochmal was zum Thema Russland. Vieles ließe sich übertragen, aber bleiben wir mal am Beispiel Ukraine-Konflikt. Eben weil die Nachrichten voll davon sind und es mir quasi als Wand ins Gesicht schlägt, dass hier schlichte Meinung postuliert oder gar Stimmung gemacht wird. So offensichtlich, wie es einem informierten Beobachter nur sein kann, wird einseitig dargestellt und tun sich Parallelen auf, zu Dingen, deren Wiederholung ich nicht zugeschaut haben will, als hätte ich nix gewusst.

Was meine ich konkret? Ich habe den Eindruck, dass hier Rhetorik verwendet wird, wie sie häufig vor einem Krieg zum Einsatz kommt. Die Zeitungen titeln „USA warnt Russland“ oder „Russland droht mit…“ und im darunter stehenden Text, der stark eingedampft einen Konflikt nachzeichnen soll, wird die Aneinanderreihung von Aussagen in keiner Weise der verzwickten Realität gerecht. Und wenn bereits der öffentliche Diskurs in Form der Medien-Echokammer derart eingeschränkt ist, dass als logische Konsequenz (scheinbar!) nur noch der offene Konflikt bleibt – mit militärischen oder mindestens abschottenden, sich gegenseitig schadenden Mitteln (dazu zähle ich auch Propaganda und Wirtschaftssanktionen) – dann ahne ich nix gutes.

Was mich daran besonders ärgert – die geneigte Leserin kennt es bereits von anderen Beiträgen hier – ist, dass wir für dumm verkauft werden. Die Adressaten der Medienbeiträge und die Wähler*innen, welche zum Zuschauen degradiert sind, weil es gar keinen demokratischen Streit um unterschiedliche Möglichkeiten gibt, werden so gut es geht rausgehalten und mit Unfug abgespeist.

So auch wenn pseudo-aufklärend getitel wird „was will Putin in der Ukraine?“ dann stellt sich mir die Frage: Wieso kommt kein*e Journalist*in auf die Frage „was will die EU in der Ukraine?“ – die Antworten dürften in beiden Fällen (!) sowohl legitime Ansichten als auch eher fragwürdige Eigeninteressen zutage fördern. Und dass wir diesen Schlagzeilen dominierenden Konflikt jetzt nicht hätten, wenn es keine Eigeninteressen (über Prinzipien des Völkerrechts hinaus) gäbe, dürfte ja selbst naiven Gemütern dämmern. Wo verteidigt die EU denn ähnlich vehement das Völkerrecht – in all diesen vielen himmelschreienden Fällen – wenn es da nix zu holen gibt?

mehr Beispiele

Der historische Blick auf die Ukraine wird auf eine Formel verkürzt: Ehemalige Sowjet-Republik (also gegen ihren Willen von Russland = Sowjetunion geschluckt – anders kann es bei keiner Sowjet-Republik gewesen sein), dann unabhängig geworden (also eine ganz normale souveräne Nation) und jetzt soll ihnen dieser Status erneut streitig gemacht werden – pfui!
Das Problem ist: das stimmt schlichtweg nicht. Die Ukraine war seit Bestehen ein Konglomerat, geprägt durch Wanderungsbewegung, Grenzverschiebung und Einflussnahme durch benachbarte Reiche. Die Kiewer Rus, die ihren Beginn markiert, ist gleichzeitig Gründungsmythos des russischen Zarenreichs (und dieser wird heute in Russland wieder verstärkt gepflegt). Die Krim war immer multiethnisch. Die Verhältnisse im Rest der heutigen Ukraine nie lange stabil und es zeigt sich, wie in so vielen anderen Regionen und Epochen, dass der Gedanke des Nationalstaats verheerend sein kann. Denn da wo sein Ideal einer Einheit aus Volk, Kultur und Staatsgebiet nicht gegeben ist, versuchen Nationalisten sie herzustellen. Wenn aber eine Volksgruppe nicht nur auf dem politischen Territorium der Nation lebt, sondern auch in benachbarten Gebieten, die eine andere Gruppe kontrolliert? Wenn eine andere Volksgruppe innerhalb des Staatsgebietes, das man selber kontrolliert, lebt? Wenn die Kultur gar nicht abgrenzbar ist? Wenn die politische Macht sich nicht zentralisieren lässt, weil es Geografie oder tradierter Herrschaftsanspruch durch Erbmonarchie nicht zulassen? Genau: Bürgerkrieg, Rassismus, Terror usw. Dieses Muster lässt sich überall erkennen, wird aber häufig nicht auf ihre gemeinsame Ursache zurückgeführt: die verhängnisvolle Idee vom Nationalstaat.

In der Ukraine ist bzw. war all das gegeben. Nachzulesen bspw. hier: https://www.bpb.de/izpb/209719/geschichte-der-ukraine-im-ueberblick

das schlechte Vorbild

Was weiterhin zeigt, dass wir entweder schlechten Journalismus oder irgendeine Form von Propaganda (vielleicht auch einfach aus unreflektierter Parteilichkeit) haben:
Russland werden Handlungsweisen vorgeworfen, die es eins-zu-eins vom Westen abgeschaut hat. Kürzlich gelesen „London wirft Russland politische Einflussnahme vor“ – das würden EU und USA natürlich nie machen! In einem anderen Land versuchen, Einfluss auszuüben, Bündnisse schmieden, Wirtschaftsbeziehungen eingehen (die ja nicht immer einfach nur offener Marktplatz heißen)… Grotesk, das als Vorwurf zu formulieren, oder?!
Oder mit Militär einrücken um „eigene Staatsbürger zu schützen“ – Gott bewahre, dass Russland in der Ukraine auf so eine Argumentation zurückgreift – da fällt dem Pentagon-Mitarbeiter ja vor Schreck der Panamahut vom Kopf… Achso… Beispiel Panama und US-Marines… Äh ja…
Oder dass Putin ausgerechnet dort Gebiete kontrollieren will, wo Bodenschätze liegen und sogar mit Militär droht, um seinen Zugriff zu sichern. Also sowas würden westliche Staaten natürlich niie machen!
Oder False Flag Operations in einer Revolutionssituation, wie damals auf dem Maidan 2014. Die USA haben ja noch nie „in ihrem Hinterhof“ eingegriffen, um mit geheimdienstlichen Aktionen politische Verhältnisse zu ändern. Wenn jetzt Putin beansprucht, die Ukraine (siehe gemeinsame Geschichte oben) als seinen Hinterhof zu behandeln und möglicherweise sogar verdeckte Operationen da durchführt… Also sowas geht natürlich gar nicht!
Und überhaupt diese Missachtung des Völkerrechts, z.B. als Feinde eingestufte Menschen in anderen Ländern, wohin diese sich extra geflüchtet haben, anzugreifen – das geht nun wirklich gar nicht! Wenn Putin Doppelagenten in London vergiften und Terroristen in Berlin erschießen lässt – ein Unding! Wenn die USA Leute, die sie als Islamisten verdächtigen, verschleppen und außerhalb ihres Staatsgebiets in Folterkeller sperren – das kann man ja verstehen. Oder Snowden oder Assange oder so…
Und die russische Wagner-Gruppe, also wenn ein Staat mit Söldnern operiert, damit es für „Fehlverhalten“ nicht haftbar ist oder den Einsatz in bestimmten Gebieten oder zu bestimmten Zwecken einfach abstreiten kann, was am Ende die Genfer Konventionen aushöhlt – was für eine Unsitte! Blöd nur, dass es die USA mit Blackwater im Irak ab 2003 vorgemacht haben. Hat noch jemand ein paar schöne Beispiele? Da schreibe ich mich glatt in Rage.

Was mich zum nächsten Beispiel der Bigotterie bringt, dem ich aber einen gewissen Dreh abgewinnen kann: wenn Deutschland jetzt (wie ich finde zurecht) syrische Folterknechte und Diktaturhelfer vor Gericht stellt, findet das im wesentlichen ein positives Medienecho. Und es wird vom Weltrechtsprinzip geschrieben – dass also Taten, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden, von jedem Land, wo sich die Täter oder Opfer befinden, verfolgt und zur Anklage gebracht werden können. Super Sache das! Dann können wir ja jetzt die ganzen CIA-Agenten (oder welchem Akronym auch immer sie zugerechnet wurden) anklagen, die z.B. damals Murat Kurnaz entführt haben.

Klarstellung

Ich möchte hier nicht als Putin-Freund auftreten, bin ich nicht. Ich wünsche mir einfach eine aufgeklärte und differenzierte Öffentlichkeit. Zumindest da, wo demokratische Öffentlichkeit geschätzt wird, sollte sie auch Praxis sein. Wenn der Westen – zurecht! – Russland und China vorwirft, demokratische Öffentlichkeit als Störenfried zu betrachten und zu verhindern (präventiv wie repressiv), dann ergibt sich daraus auch die Verantwortung, selber ein besseres Vorbild zu sein. Und ich habe klar den Eindruck, dass dies bezüglich des Ukraine-Konflikts (aber auch anderer Beispiele) stark vernachlässigt wird.

Umgang mit Corona – eine Chronologie

Ich war von Anfang an für Solidarität, vernünftige Regeln und deren Einhaltung. Am Anfang hieß das für mich:

  • Kontakte reduzieren
  • Abstand halten
    Denn denken wir uns nochmal rein: Masken waren noch nicht sehr verbreitet, von der Impfung gar nicht zu reden. Dann kamen die beiden hinzu:
  • Maske tragen wo viele Leute sind bzw. in Innenräumen
  • Impfen gehen seit das möglich war ohne sich „vorzudrängeln“

Warum hielt ich das für gesetzt?

  • Wir wussten noch nicht viel über das Virus – lieber Vorsicht als Nachsicht
  • Was wir recht schnell wussten: es kann sich jede*r anstecken, weil noch niemand natürliche Abwehr hat
  • Wenn sich jede*r anstecken kann und das dann exponentiell steigt, reicht es aus, dass nur 1% Behandlung im Krankenhaus braucht – also kein Killervirus oder so – aber selbst dann wäre schnell Gesundheitsversorgung und evtl. öffentliche Ordnung zusammengebrochen
  • Ein bisschen Rückzug und Innehalten ist nicht zuviel verlangt, wer vor oben genanntem Hintergrund dazu nicht bereit ist, muss echte Defizite haben (natürlich gibt es bestimmt Gründe, aber bei der nörgelnden Masse sah ich das nicht gegeben und die haben mich wirklich geärgert)
  • Es waren Notfallmaßnahmen auf Zeit (Am Anfang war ja sogar die Hoffnung das wäre nur, bis in weiten Teilen der Welt keine Ansteckungen mehr sind und dann vorbei)

Dann war langsam jede Menge Wissen verteilt:

  • wissenschaftliche Erkenntnisse zum Virus
  • Wir hatten Impfstoffe
  • Jede*r kannte die Verhaltensregeln und es war normal z.B. Maske zu tragen und keine Hände zu schütteln
  • Politik hatte einiges ausprobiert, Berater an ihrer Seite usw.

Damit änderte sich langsam etwas:

  • Der Schutz der Verletzlichsten war besser
  • Wer sich impfen lassen wollte, konnte diesen Schutz haben
  • Die Virus-Apokalypse nicht mehr zu erwarten
  • Nun hätten Regeln mit mehr Augenmaß und weniger persönliche Einschränkung greifen können

Leider gab es jede Menge Hickhack, schlechte Kommunikation und die Eigenlogik der Politik (nur für Gutes/Beliebtes verantwortlich sein wollen – alles schlechte waren die anderen; sich noch schön die Taschen füllen; Impfstoffe so empfehlen wie man sie eingekauft hat und nicht wie medizinisch empfohlen usw.). Das war dann nach über einem Jahr schon nervig, aber noch kein Grund alles hinzuschmeißen.

An der Stelle mal eine Einschätzung zu den „Impfgegnern“, „Corona-Leugnern“ und sonstigen aus diesem Contra-Lager: Dass bereits von Anfang an Verschwörungsmythen erzählt wurden, dass einige Leute bereits gleich zu Beginn, wo noch niemand was genaues über Corona wusste, ganz genau wussten, dass sie sich an keine Regeln halten müssen und dass sehr schnell die üblichen Demokratiefeinde bzw. Ablehnenden dieses Staates mitgemischt haben, zeigt für mich deutlich, dass es nicht um einen Beitrag zur Pandemiebewältigung (nichtmal um sachliche Kritik an der Einschätzung als Pandemie) ging.

Und wie sieht es aktuell aus? Nicht zufällig habe ich die Vorgeschichte nochmal nachgezeichnet. Denn aktuell laufen die Strömungen für mich auseinander und ich stehe zwischen den Stühlen. Mit den „Gegnern der Corona-Maßnahmen“ möchte ich mich eigentlich nicht vereinen, weil ich wie gesagt in deren Genese nix erkenne, was ich auch nur ansatzweise unterstützen will. Andererseits bin ich auch kein Freund der Pharmaindustrie. Und kein Freund der Einschränkungen aus Prinzip. So sinnvoll ich das Impfen fand, als es möglich wurde: eine Impfpflicht sehe ich kritisch. Schon allein, weil man damit rückwirkend die Schwurbler und Schreihälse bestätigt.

Wie ist die Lage denn jetzt, Februar 2022, mit Omikron usw.?

  • Krankenhäuser (vor allem Intensivstationen) laufen nicht voller mit drastischen Inzidenzen
  • Impfung schützt nicht vor Ansteckung und Weitergabe
  • Es ist nicht zu verhindern, dass Corona in der Menschheit zirkuliert
  • Alle werden sich früher oder später anstecken
  • Es gab bereits zwei Jahre Ausnahmezustand mit viel Hü-Hott
  • Die Nebenwirkungen der Corona-Bekämpfung übersteigen langsam den Nutzen

Was schließe ich daraus?

  • Wir sollten nüchtern die Realitäten abwägen (was ich im Ausnahmezustand zu Beginn ebenso empfand und da weitgehend gegeben sah!)
  • Aus Prinzip an der entstandenen Spaltung in „Team Vorsicht“ und „Corona ignorieren“ festzuhalten scheint sich so zu ergeben, ist aber blöd
  • politische Lager und Spielchen hin oder her, wir brauchen eine Exit-Strategie und einen Weg jenseits Inzidenzen und Eindämmung

Können wir jetzt also bitte wieder über alle Optionen und Zusammenhänge sprechen, ohne die eingeübten Worthülsen zu nutzen, die entweder als „Team Vorsicht“ oder „Coronaleugner“ identifizieren? Den anderen vorzuwerfen, wo sie grundsätzlich falsch liegen, hat noch nie den Nachweis ersetzt, wo/wie/warum man selber richtig liegt. Danke.

(konkrete Vorschläge hier)

Erfahrungen

Ich habe in letzter Zeit über eine Bildungsmaßnahme mit Menschen bunt gewürfelten Hintergrunds zu tun. So komme ich mal raus aus meiner Filterblase 😉 Nun kann es natürlich sein, dass ich meine Wertungen und was ich so an Quellen höre/sehe/lese einfach übertrage und sofort kategorisiere, womit ich es zu tun habe. Dann wäre mit Vorsicht zu genießen, was ich an Erkenntnissen über Menschen gewinne – da ich eigentlich gar keine Erkenntnis gewönne sondern nur bestätigte. Das vorausgeschickt: ich glaube, genau die Dinge zu erkennen, die in Talk Shows und mainstreamigen bis links-intellektuellen Medien diskutiert werden. Nämlich, dass „normale“ Menschen in meinem Umfeld (und das ließe sich sicher auf deutlich mehr Bewohner des Planeten übertragen), einfach bestimmte Quellen haben, aus denen sie Meinungen beziehen und sich selbst dafür gut finden, dass sie Meinungen haben, die nicht immer mit allem anderen übereinstimmen. Soweit so logisch und universell. Nur hinterfragen sie eben nicht den Ursprung dieser Quellen, sondern nur alles und jeden, auf den diese Quellen mit dem Finger zeigen „die da oben“ halt – oder welcher Sündenbock auch immer gerade beliebt ist. Und sie stören sich auch nicht an Widersprüchen, da sie eben anders als mein Milieu nicht wissenschaftlich geschult sind. Alles, was clever klingt, weil es vorgibt über Mainstream-Wissen hinaus zu gehen. Und dann noch zum eigenen Gefühl und der eigenen Erfahrung passt (z.B. dass es Eliten gibt, die mein Leben nicht verstehen und irgendwie strukturell immer besser davon kommen als ich selbst). Das wird als Wahrheit akzeptiert. Bezüge dieser Versatzstücke untereinander werden nicht geprüft – ob sich diese Wahrheiten, an die ich alle glaube, vielleicht widersprechen und gegenseitig ausschließen – wird gar nicht erst wahrgenommen oder zumindest nicht ernstgenommen. Ein Schulterzucken und sinngemäß: „na is doch eh alles so kompliziert heutzutage, dass ich das gar nicht überprüfen kann, auch was du mir jetzt erzählen willst, kann ich nicht prüfen – passt eh nie alles zusammen – aber xy überzeugt mich halt“. Teilweise werde ich als jemand wahrgenommen, der Wissenschaft kapiert, und dann wird mir empfohlen „schau doch mal das Video von xy, der diesen ganzen Corona-Aussagen nachgegangen ist und mit Zahlen und Grafiken und so das richtig auseinandernimmt – der sagt voll das kann doch gar nicht stimmen“. Also etwas wirkt wissenschaftlich, weil jemand sich auf wissenschaftliche Quellen bezieht, der präsentiert dann Zahlen und Grafiken – das muss also der Wissenschaft ebenbürtig sein. Und der sagt, was ich (durch meine Filterblase) glaube, also siehste mal, hab ich doch recht! Die Kapazität fehlt, die wissenschaftlichen Methoden, den Gültigkeitsbereich der Aussage bzw. logische Widersprüche zu prüfen und die Güte von Quellen einzuschätzen. Außerdem natürlich Lust und Zeit, mal wirklich eine Sache zu analysieren – ich habe dann versucht in dem Gespräch die Frage nach Gefährlichkeit von Corona und Wirksamkeit der Impfung mal systematisch durchzugehen – dafür fehlte jegliche Geduld, das Thema wurde gewechselt. Nun werde ich also als jemand wahrgenommen, der gebildet ist (studiert hat) und sich für Themen interessiert – und doch reicht das nicht aus, mir mal lange genug zuzuhören, bis ich meine Gegenmeinung darlegen kann. Kognitive Dissonanz mit einer Leichtigkeit übergebügelt, dass ich quasi mit offenem Mund stehen bleibe. Wenn ich diesen verschiedenen Meinungen aus verschiedenen Milieus so zuhöre – abgeleitet aus dem Leben einer Person, kann ich die Leute ja gar nicht mal unsympathisch und mir unterlegen empfinden – aber dennoch ist es absurd, dass die aus ihrem gefühlten Wissen eine Haltung zur Welt ableiten, die ich in ihren Konsequenzen als Selbstzerstörung empfinde.

Oder so lapidare Aussagen – da wurde z.B. gelästert, dass jetzt, wo die Inzidenzen wieder steigen, darüber nachgedacht wird, die kostenlosen Tests wieder einzuführen – die hätte man aus Sicht der Ungeimpften hier natürlich nie einstellen sollen und die lachen darüber, dass sie jetzt vielleicht wieder kommen, wie dämlich „die“ doch sind. Inzwischen ging mir durch den Kopf, dass man ja eigentlich vorhatte, die Leute zur Impfung zu bewegen, wenn der Test nicht mehr reicht, um überall rein zu kommen oder der Test zumindest jedes Mal extra kostet. Obwohl ich sonst (schon um mir das Leben hier nicht unnötig schwer zu machen) wenig kontra gebe, habe ich also gesagt „oder ihr geht euch halt mal impfen lassen“ – Reaktion „na klar. Siehste doch, was das hilft“ (in Anspielung an den Ausgangspunkt des Gesprächs, nämlich die steigende Inzidenz). Da kann ich nur mit den Augen rollen. Natürlich hätte ich jetzt darauf hinweisen können, dass die Inzidenz hier in Sachsen besonders hoch ist, wo die Impfquote besonders niedrig ist. Und dass die Inzidenz erstmal davon spricht, wieviele sich infizieren, was aber nicht so dramatisch wäre, wenn durch Impfung deutlich weniger schwere Verläufe dabei wären. Aber wie gesagt will ich mir das Leben hier nicht schwer machen und kann leider auch nicht glauben, dass etwas anderes als meine Isolation oder gar Anfeindung dabei raus käme. Da sind wir bei der Zersplitterung. Selbst wenn ich hier eigentlich keinen schlechten Stand habe, mit Leuten mal ein Schwätzchen halte und von manchen als intelligenter Mensch wahrgenommen werde – die Filterblasen bringe ich nicht zum Platzen. Und dann sind wir auch beim nächsten Punkt: dem was in den Filterblasen passiert. Wenn man die Doku „Königsmacher“ zur Polit-PR zur Grundlage nimmt und mit der Debatte über Twitter und Facebook bei den Trump-Anhängern bzw. der Kritik von Facebook-Insidern an deren Algorithmen und Geschäftsmodell abgleicht… Tja, da kann ich nicht mehr glauben, dass rein zufällig spaltende Inhalte solche Blasen bilden und bespielen. Da könnten Absichten dahinterstecken. Und diese Leute hier, die sich nicht impfen lassen wollen, bundesdeutsche Politik im Wesentlichen ablehnen und verunglimpfen und selbst keinerlei realistische Idee haben, was verbessert werden müsste und was sie stattdessen wollen – die nutzen alle Facebook! Und ich aus Überzeugung schon lange nicht mehr.

Übrigens passt diese Problematik der Zersplitterung und des Mangels an konstruktiv-realistischen Alternativen genau zu meinem Ansinnen hinter dem Titel Silberstreif.

Zersplitterung

Es kommen Informationen und Beobachtungen in meinem Kopf zusammen, die ein Bild zeichnen das einem Angst machen könnte. Ich reagiere derzeit noch eher mit ungläubigem Staunen und einer gewissen Häme über die Menschheit, die schon so viel verbockt hat und sich auch das irgendwie selbst eingebrockt hat. Mit großer Macht kommt halt große Verantwortung. Und das bekommen wir nach wie vor nicht hin.

Es geht um folgende Punkte: mmh, eigentlich um einen Punkt. Zersplitterung. Teilweise unbeabsichtigt und teilweise aus Lust an der Zerstörung oder dem „teile und herrsche“-Kalkül. Jedenfalls ist diese Zersplitterung überall zu sehen.

Ich habe zwei Dokus von Arte gesehen, in der einen geht es um eine besonders perfide – und offenbar längst zum neuen Standard erhobene – Form der politischen PR. Der Beitrag heißt „Königsmacher. Mit den Mitteln der Werbung.“ In der anderen geht es um die Tradition der sogenannten Neuen Rechten seit dem Ende des zweiten Weltkriegs bis heute. Wobei Deutschland und Frankreich sich in erstaunlichem Ideen-Austausch befinden. Die Strategien und die politischen Gruppen, die sie anwenden, überschneiden sich durchaus: Einerseits die, die macchiavellistisch Polit-PR machen, und andererseits die Neue Rechte, die ihr Narrativ in die Gesellschaft sickern lassen will.

Und nun habe ich diese Schablone auf meine Erfahrungen gelegt, die ich mache mit Corona-Skeptikern, Impfmuffeln und Menschen, die in unsicheren Zeiten einfach per se alles, was sie als Herrschaft empfinden oder nicht im Alltag erleben können, anzweifeln. Und das sind hier im Osten Deutschlands besonders viele (was erklärbar wäre). Da wo Rechte und Corona-Gegner zusammenfließen, wird es besonders beängstigend.

Folgendes Bild ergibt sich: Es sind bereits weite Teile der Gesellschaft aufgehetzt, der gemeinsame Boden schwindet, die Zersplitterung schreitet voran. Viel wurde auch schon gesagt und wird seither wieder und wieder belegt über den Effekt von Filterblasen in Facebook, Chat-Gruppen, über Googles Algorithmen… Dazu noch Trolle und Medienakteure im Auftrag von Geheimdiensten oder sogar Wahlkampfteams von Trump bis Orban. Auch der Ausspruch „Orwells 1984 ist eine Warnung, keine Anleitung gewesen“ stammt weder von mir, noch ist er aus den letzten zwei Jahren – aber ich kann nur wieder und wieder zustimmend nicken.

Nun weiß ich als Soziologe, dass Gesellschaften schon immer Milieus (oder Klassen oder gar Kasten) mit unterschiedlichen Lebenswelten hatten. Und darin lag schon immer Konfliktpotential. Und es ist immer ein schmaler Grad von einem Zustand, in dem es noch genug Kohäsion gibt, um als eine Gesellschaft zu funktionieren – bis zu dem Zustand, wo es keine geteilten Vorstellungen von der Welt mehr gibt, in dem es gegenüber Menschen, die man nicht persönlich kennt, keinerlei Vertrauen mehr gibt. Und wenn das Vertrauen so weit weg ist, dass ich nicht weiß, wie mein Gegenüber sich verhalten wird, ist die Zersplitterung perfekt. Wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, dass gewisse Grundwerte geteilt werden, dass es eine Basis gibt, auf der Missverständnisse und Interessenkonflikte ausgehandelt werden können, ohne dass es sich um bloßes Faustrecht handelt, dann wird Kooperation nahezu unmöglich. Zumindest als komplexe Gesellschaft. Diese Fragestellung fasziniert die Menschen seit jeher. Nicht umsonst werden Geschichten über den Zusammenbruch von Ordnung wieder und wieder erzählt.

Schmarotzer?

Was heißt eigentlich arbeitslos? Ist es unmoralisch nicht zu arbeiten und sich von den anderen „durchfüttern“ zu lassen? Wie an anderer Stelle erörtert, ist ja nun Arbeit auch nicht immer so eine tolle Lösung. Aber kann es richtig sein, einfach allgemein von Arbeitslosengeld zu leben?

Ich denke in Anbetracht der hohen Produktivität unserer Wirtschaft ist es nicht notwendig, dass alle im klassischen Sinne arbeiten. Für die Einzelne*n ist es jedoch schon notwendig, etwas beizutragen. Rein psychologisch tut es schon mal sehr gut, für die Gemeinschaft etwas zu leisten. Also sollten Netzwerke gestärkt werden, wo alle etwas beitragen können. Als Vorbild kann das Ehrenamt dienen. Es braucht Raum, einander zu begegnen, um diese freiwilligen Beiträge zu ermöglichen.

In diesem Sinne finde ich ein bedingungsloses Grundeinkommen sinnvoll. Verglichen mit dem status quo (Arbeitslosigkeit, die stigmatisiert wird, und Arbeit, die krank macht oder massive Schäden bei Mitmenschen und/oder Ökosystem anrichtet) finde ich das moralisch überlegen. Außerdem ist die moralische Argumentation verzerrt: wenn jemand aus Faulheit nichts beiträgt und sich von anderen „durchfüttern“ lässt, ist das unter Umständen ein Problem. Diese Umstände heißen Mangel oder sehr harte Anstrengung, um die Bedürfnisse befriedigen zu können. Gelten diese aktuell? Ich denke nicht.
Und was ist Faulheit? Wie vorhin erwähnt, ist es psychologisch von hohem Wert, etwas beitragen zu können. Ich glaube daher, dass eine gut funktionierende Gemeinschaft Optionen anbietet, sich einzubringen (sei es durch Kunst, als Ratgeber*in oder andere Dienste). Und ich glaube, dass ein gesundes Individuum, das gelernt hat, in dieser Gemeinschaft seine Bedürfnisse sozialverträglich zu befriedigen (Aufgabe von Pädagogik), davon selbstständig Gebrauch machen wird. Jede*r wird ab und zu faul sein und einen „Null-Bock-Tag“ haben, aber ein gesundes Individuum in einer gesunden Gemeinschaft wird das nicht als Dauerzustand frei wählen. Autorität und Zwang sind an dieser Stelle (wie an allen anderen Stellen, wo etwas gut funktioniert) nicht nötig!

Ich glaube eher, die Betrachtung von „Schmarotzern und Nichtsnutzen“ beruht auf der Beobachtung dysfunktionaler Gesellschaften. Wo Menschen psychischem Druck ausgesetzt sind, wo sie gegen ihren eigenen Willen handeln müssen (zum Beispiel jede bezahlte Tätigkeit annehmen, mit Wecker aufstehen ohne zu wissen wofür) – und wo sie ausgebeutet werden – da lässt sich Antriebslosigkeit und Verweigerung beobachten. Aber das ist berechtigt. Wenngleich dieser Zusammenhang von den Betroffenen selten bewusst so erlebt und so nachvollziehbar begründet wird. Dafür sitzt die ständig wiederholte Begründung für diese angeblichen Notwendigkeiten viel zu tief in unseren Köpfen.
Das ist ein Zeichen für schlechte soziale Verhältnisse und nicht für schlechte Individuen. Wieso sollte ich motiviert sein, bei dem täglichen Einsatz für das Vermögen meines Chefs die Umwelt zu zerstören oder „unsere“ Kund*innen übers Ohr zu hauen? Richtig! Wenn solche Jobs der Normalzustand sind, sind auch unmotivierte Arbeiter*innen normal. Das ist kein Beleg dafür, dass jede*r prinzipiell lieber faul wäre und mit niemandem was zu tun hätte.

anders arbeiten und leben

Wie in meinen Gedanken über Arbeit und Sinn dargestellt, gibt es weitreichende Probleme mit dem bisher dominierenden Verständnis von beidem. Da aktuell alles derart verwoben ist, merkt mensch bei dem Versuch sich zu befreien schnell, dass es radikaler Schritte bedarf. Häufig war es nicht der Wunsch, radikal zu werden, und mensch gibt gleich wieder auf. Was kann ich schon tun? Durchdenken wir es mal:
Ich möchte sinnvolles tun. Dies wird häufig nicht bezahlt. Oder zumindest möchte ich mich nicht mehr an sozialer Ungerechtigkeit und Zerstörung des Planeten beteiligen. Dann werde ich nicht mehr bezahlt.
Ich wohne aber in der Stadt und brauche Geld für Nahrung und Miete. Meine bisherigen Jobs sind eher nicht nachhaltig und für die Gemeinschaft nützlich. Also entscheide ich mich für die Arbeitslosigkeit. Halt! Es gibt Arbeitslosengeld (ALG1 oder 2) nur, wenn ich Arbeitssuchende*r bin! Da haben wir wieder die Begrifflichkeiten, gemerkt? – Arbeit = Erwerbsarbeit und per se anzustreben! Ich kann also gar nicht bewusst keine Erwerbsarbeit mehr machen, weil ich sie als schlecht und sinnentleert empfinde, und stattdessen selber an etwas arbeiten, für das ich nicht bezahlt werde. Denn ich werde zur Erwerbsarbeit gezwungen. Interessant.
Wer hat denn daran Interesse? Wieso sollten wir eine solche Welt wollen? Wir nehmen diesen Zweifel mit, aber halten mal für möglich, dass das bürgerliche Mantra unterbewusst seinen Dienst tut und hier keine bewusste Verschwörung einzelner Puppenspieler vorliegt. (Ich halte eine Mischung für möglich.)
Das heißt also, wenn ich Verantwortung für die Folgen meines Handelns als Berufstätige*r übernehmen will, werde ich gezwungen, mich mit dem Staat anzulegen, da ich mich zumindest dem erklärten Anspruch der Behörde entziehen muss, jede bezahlte Arbeit anzunehmen. Würde ich das in dieser Richtung durchziehen, wäre schon recht radikal.
(Ist es nicht auch unmoralisch, dann von Steuergeldern zu leben?)

Welche Möglichkeiten habe ich noch? Ich könnte versuchen, meinen Geldbedarf zu minimieren. Ich sagte Stadt und Nahrung. Nun kann ich also versuchen, in ein alternatives Wohnprojekt zu kommen, wo ich keine Miete zahle. Und ich kann containern gehen und in einem Gemeinschaftsgarten selbst Lebensmittel produzieren. Damit bin ich aber auch recht radikal unterwegs: ausgeschlossen von Dingen, die dann doch mal Geld kosten, gezwungen, mich mit Leuten auseinander zu setzen, die ebenfalls aussteigen, viel Arbeitskraft in praktische Dinge stecken, die mir evtl. gar nicht liegen. Nagut. Vielleicht ist es alles doch ganz gut? Ein Leben führen, das mich dann zwingt, konsequent an der Umsetzung meiner Werte zu arbeiten. Weckt das nicht auch Begeisterung, ein Tiny House zu bauen und einen Garten anzulegen? Mit lauter Leuten, die das ebenfalls gerade ausprobieren? Also keine Experten, mit denen ich mich messe, sondern alles Anfänger*innen, die gemeinsam eine große Kraft entfalten können. Ich ergründe für mich mal, was ich da persönlich für machbar halte.

Was mir als Möglichkeiten zum alternativen Wohnen einfällt:

  • Gemeinschaftlich bauen (neu oder sanieren), Geld und Zeit können eingebracht werden, je nachdem, wer wovon mehr übrig hat, dann als Genossenschaft oder Eigentümergemeinschaft darin wohnen
  • Tiny House aus Fertigteilen oder komplett selbst bauen (eigenes Grundstück? gemeinsames Grundstück? gepachtetes Grundstück? als Siedlung Gleichgesinnter?)
  • Earth-Ship-Siedlung um gleich noch möglichst autark und nachhaltig zu sein
  • gefördertes Wohnprojekt finden (wenn es als maker-space oder Mehrgenerationenhaus fungiert?)
  • klassische Hausbesetzung
  • Blockhütte wie Einsiedler bauen (dürfte in Deutschland unmöglich sein, weil zu nah an Zivilisation, Land ist immer in Besitz, juristische Auflagen)
  • Dauercamper werden (mit Wohnwagen)
  • mit Bauwagen oder Wohnmobil nomadisch leben (rechtliche Grauzonen, Spritverbrauch?)

Was mir zur Ernährung einfällt:

  • Containern
  • Tafel usw.
  • Foodsharing
  • weitgehend Selbstversorgung (Schrebergarten, Gemeinschaftsgarten, auf Balkon oder um mobile Behausung in Kübeln, Sammeln, viel einkochen und fermentieren…)
  • solidarische Landwirtschaft (SoLaWi)

Arbeit und Sinn

Ein Mantra der bürgerlichen Gesellschaft ist, dass Arbeit sowohl etwas notwendiges, als auch rundum gutes sei. Beidem möchte ich widersprechen. Die Argumentation wird deutlicher, wenn ich mit „gut“ anfange. Ist es wirklich gut, wenn ein Immobilienmakler von der Vermieterin/Verkäuferin bestellt werden kann, der Mieter/Käufer auf ihn angewiesen ist, um einen Vertrag zu schließen, aber letztlich nur ordentlich draufzahlt? Dafür, dass der Makler im Zweifelsfall nur aufschließt, totalen Quatsch erzählt und dir eine Karte mit der Adresse gibt, an die du alle Unterlagen schicken sollst? Das wurde ja wohl weitgehend abgeschafft, eben weil es offensichtlich nicht fair ist. Aber bis dahin galt es doch als respektabel, wenn man sagt „ich bin im Immobiliengeschäft“?!?
Anderes Beispiel: eine Angestellte der Rüstungsindustrie, die Granatenzünder entwickelt, Raketenleitsysteme programmiert oder beim Aufbau der Fabriken im Ausland hilft, mit denen der Konzern die Export-Auflagen umgehen kann. Ist das gut, dass sie diese Arbeit macht?
Oder die Unternehmensberaterin, die viel verdient, deren Ratschläge von den namhaftesten Unternehmen befolgt werden, die ständig im Arbeitsmodus ist – das ist doch Leistungsprinzip pur, oder? Vielleicht rät sie aber auch nur zu geschickter Bilanzbuchhaltung mit Tochterfirmen (die sich alles gegenseitig in Rechnung stellen), wodurch der namhafte Konzern viel Steuern spart. Und sie rät, Angestellte zu entlassen und als Freelancer, Zeitarbeiter*innen usw. wieder anzustellen. Und sie rät, bei der Regierung den Fachkräftemangel anzuprangern, damit es Programme aus Steuergeldern gibt, die die Ausbildung finanzieren. Der Konzern kauft dann die berühmte eierlegende Wollmilchsau zum Einstiegsgehalt. Wo kämen wir als Wirtschaftsstandort denn hin, wenn sich nicht jederzeit 24-Jährige Masterabsolvent*innen mit drei Fremdsprachen, Praxiserfahrung und Reisebereitschaft über die Wochenenden finden ließen? Richtig! Das wäre ein skandalöser Wettbewerbsnachteil und schlichtweg Fachkräftemangel. Ist es gut, dass jemand diese Arbeit macht? Schön, dass sie einen gesellschaftlichen Druck auf alles und jeden erzeugen, dass jede*r mehr leisten und weniger kosten muss? Immer noch besser, diese Menschen machen in Immobilien, der Rüstung, dem Consulting als sie wären arbeitslos? Ich glaube nicht!
Es ist also nicht per se gut, dass jemand arbeitet, die entscheidende Frage ist was jemand arbeitet. Damit sind wir dann bei der Notwendigkeit. Jemand, der/die nichts beiträgt, hat auch keinen Anspruch auf Essen, ein Bett usw. – richtig? Mh, aber wenn der Beitrag darin besteht, einer alten Dame eine Versicherung zu verkaufen, die diese niemals brauchen wird, dann ist es ok, denn dieses Geld ist ja legal verdient worden? An den bereits genannten Beispielen wird deutlich, dass es jede Menge Arbeit gibt, die keinen Mehrwert für die Gesellschaft erzeugt, sondern Gewinn für wenige auf Kosten vieler. Wenn diese Menschen plötzlich nicht mehr arbeiten würden, würde dann ein nützlicher Beitrag fehlen? Hätten wir dann keine Betten und kein Essen mehr?

Hier kommt ein entscheidender Faktor hinzu, den wir gern übersehen: die Produktivitätssteigerung. Die Arbeitsmoral a la „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ macht dann Sinn, wenn wir jede*n brauchen, um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Und dann haben wir auch ganz andere Arbeit: dann haben wir Gruppen von Menschen, die sehen, was gebraucht wird. Die sich gegenseitig helfen. Das war teilweise sogar schon in der Mangelwirtschaft der DDR zu beobachten. Aber wenn es wirklich ums Überleben geht, wird Arbeit als sinnvoll erlebt. Wenn ich eine Hütte brauche, um im Winter nicht zu erfrieren, bin ich motiviert, diese Hütte fertig zu bekommen. Wenn ich Hunger habe, lege ich auch ein Feld an oder gehe Beeren und Wurzeln sammeln. Dafür muss mich keiner bezahlen! Dafür muss kein Wecker klingeln und ich mir die Frage stellen „wofür zur Hölle, soll ich jetzt eigentlich aufstehen?“.
Nächster entscheidender Faktor, den wir oft übersehen: Arbeit ist nicht gleich Erwerbsarbeit. Ich kann sehr wohl etwas sinnvolles schaffen, ohne dass mich jemand dafür bezahlt! Heute wird allerdings synonym verwendet „arbeiten = irgendwas tun, wofür ich bezahlt werde“. Das möchte ich mit dem Kontext, welcher hier hergestellt wurde, radikal in Frage stellen.

Lasst uns loben, was wir aus intrinsischer Motivation tun, anstatt aus dem Zwang heraus „Geld zu machen“. Lasst uns immer die Frage stellen, welche Folgen unser Handeln hat – wer leidet darunter, wer profitiert davon? Lasst uns dem bürgerlichen Mantra „(Erwerbs-)Arbeit ist notwendig und gut“ abschwören. Lasst uns wagen, unsere Zeit für das zu nutzen, was wir selbst für sinnvoll halten. Und ja, hier wird es plötzlich kompliziert und radikal. Wenn ich gerade zur Miete und in der Stadt wohne, dann brauche ich doch Geld, um meine Bedürfnisse zu befriedigen. Was soll ich tun? Hier einige Gedanken zu den möglichen Lösungen.

Noch einmal zur Produktivität: de facto verläuft die wirtschaftliche Entwicklung mit Kapitalismus und Industrialisierung so, dass nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse, welche mit immer weniger Aufwand möglich wird, neue Bedürfnisse geweckt werden müssen. Es werden sogar Kriege geführt um Absatzmärkte zu erobern. Es werden Millionen für die Werbung ausgegeben und Produkte absichtlich so hergestellt, dass sie nicht lange halten. Alles, damit weiter produziert und konsumiert werden kann. Alles nicht neu? Eben. Wieso ist es dann so schwer, sich vorzustellen, dass wir gar nicht alle Menschen im Arbeitsprozess brauchen würden?

Es gab in den 60iger Jahren Science-Fiction-Werke, in denen mensch sich vorstellte, dass künftig Roboter die Arbeit für uns machen. Menschen könnten dann alle Künstler und Philosophen sein, da wir nicht nur Zeit dafür, sondern auch den Kopf frei hätten. Eigentlich sind wir an diesem Punkt angekommen. Da sich die Gesellschaft aber eher entlang der wirtschaftlichen Effizienzlogik entwickelt hat, anstatt den Wert von Zeit und Arbeit neu zu definieren, müssen wir Angst haben, den Arbeitsplatz zu verlieren, anstatt uns darüber zu freuen ihn nicht mehr zu brauchen. Warum? Weil Erwerbsarbeit weiterhin die einzig legitime Möglichkeit ist, am Verteilungsmechanismus der geschaffenen Werte teilzuhaben.

Mögliche Lösungen sehe ich im Grundeinkommen und der Besteuerung der Arbeitsleistung von Maschinen.