Symbolpolitik

…ein klassisches Problem und eine unerwartete Folge von Demokratie.

Wir denken „wenn die Bürger*innen mitbestimmen, kommt was gerechteres dabei heraus, die Bürger*innen sind zufrieden“ – stattdessen: eben weil die Bürger*innen entscheiden (Wahlen + Stimmungen), wird Politik gemacht um zu gefallen (die aber manchmal inhaltlich gerade nicht das ist, was die Gesellschaft braucht).

Symbolpolitik heißt: Entscheidungen treffen, die so klingen, als tut mensch etwas gegen ein aktuelles Problem, die aber nicht wirklich zum gewünschten Ergebnis führen (können).
Beispiel: Obergrenze für Zuwanderung. Klingt konkret, ist aber Unsinn, denn ein Einreisestopp ist gar nicht durchführbar, Recht auf Asyl bleibt – wir können also gar nicht pauschal nach Zahl ablehnen, Fluchtursachen bleiben, Frust im Inland richtet sich gegen Zuwander*innen kommt aber aus anderen Quellen, Radikale fühlen sich nicht beschwichtigt sondern bestätigt…

Wenn sich Politiker*innen für Symbolpolitik mehr Zustimmung erhoffen (können) als für echte Lösungen, entsteht Murks gerade DURCH das demokratische Verständnis (eigentlich wollen wir Bürger*innen ja, dass Politiker*innen „auf uns hören“).

Was wäre die Lösung?

  • Bürger*innen sind besser informiert und bereit nach Logik statt Bauchgefühl zu entscheiden.
  • Politiker*innen schlagen mehrere Lösungen vor und vergleichen, welche Folgen jeweils zu erwarten sind.

Warum passiert das nicht?

  1. Bürger*innen sind intellektuell und emotional ungebildet (Selbstreflexion „warum bin ich unzufrieden?“ „suche ich einen Sündenbock?“ „kenne ich die Zusammenhänge?“) bzw. zu beschäftigt mit anderem kein Vorwurf! Dafür können die Bürger*innen auch nicht (immer)!
  2. Wenn Politiker*innen mehrere Lösungen vorschlagen und die Folgen abwägen würden, wird deutlich, dass sie auch nicht alles wissen und beeinflussen können. Dadurch stehen sie nicht als starke Anführer da – das wünschen sich aber viele Menschen.
  3. Politiker*innen können sich beliebt machen und in Konkurrenz zu anderen Politiker*innen durchsetzen, wenn sie „laut poltern“ und einfache Antworten anbieten (Gegenmodell ist Angela Merkel, sie kündigt gar nichts an und entscheidet je nach Situation, was die Machtverhältnisse hergeben. Wer nichts verspricht, kann nichts brechen.)
  4. Wer sich durchsetzt entscheidet, also gibt es zwar Politiker*innen, die es ehrlicher und vorsichtiger versuchen, aber gerade WEIL wir eine Demokratie haben, kommen die selten an die Macht (kämen sie in einer Diktatur aber auch nicht).

Können wir also nur aufgeben – hat ja eh keinen Sinn?

  1. Dann wäre es womöglich noch schlimmer, weil jede Mahnung an Vernunft fehlt. Kritik, Fragen und alternative Ideen der Bürger*innen werden von Medien und Politiker*innen trotzdem wahrgenommen!
  2. Vielleicht lässt sich durch gutes Vorbild und Aufklärung der Prozentsatz derjenigen erhöhen, die echte Lösungen wollen. Viele Änderungen in der Politik haben durch soziale Bewegungen begonnen – Französische Revolution, Frauenwahlrecht, Umweltschutz…
  3. Erst wenn sich die Macht solcher Bewegungen zeigt, reagiert der demokratische Parteiapparat, sie sollen ja schließlich die Bürger repräsentieren, wenn es also keine konstruktiven oder (radikal) neuen Vorschläge aus sozialen Bewegungen gibt, was sollen Parteien dann repräsentieren? Eben. Immer die gleichen alten hilflosen Versuche, etwas zu ändern, ohne wirklich etwas zu verändern. Oder eben die destruktiven Vorschläge.

Das mit „Bürger ungebildet“ ändert sich gerade – Kitas und Schulen heute haben weniger autoritären Stil, Kinder üben Mitbestimmung (nicht als laissez faire sondern mit Verantwortung). Das ist zumindest eine Grundlage für neue Bürger*innen (und neue Politiker*innen, die waren ja auch mal Kinder).