Erfahrungen

Ich habe in letzter Zeit über eine Bildungsmaßnahme mit Menschen bunt gewürfelten Hintergrunds zu tun. So komme ich mal raus aus meiner Filterblase 😉 Nun kann es natürlich sein, dass ich meine Wertungen und was ich so an Quellen höre/sehe/lese einfach übertrage und sofort kategorisiere, womit ich es zu tun habe. Dann wäre mit Vorsicht zu genießen, was ich an Erkenntnissen über Menschen gewinne – da ich eigentlich gar keine Erkenntnis gewönne sondern nur bestätigte. Das vorausgeschickt: ich glaube, genau die Dinge zu erkennen, die in Talk Shows und mainstreamigen bis links-intellektuellen Medien diskutiert werden. Nämlich, dass „normale“ Menschen in meinem Umfeld (und das ließe sich sicher auf deutlich mehr Bewohner des Planeten übertragen), einfach bestimmte Quellen haben, aus denen sie Meinungen beziehen und sich selbst dafür gut finden, dass sie Meinungen haben, die nicht immer mit allem anderen übereinstimmen. Soweit so logisch und universell. Nur hinterfragen sie eben nicht den Ursprung dieser Quellen, sondern nur alles und jeden, auf den diese Quellen mit dem Finger zeigen „die da oben“ halt – oder welcher Sündenbock auch immer gerade beliebt ist. Und sie stören sich auch nicht an Widersprüchen, da sie eben anders als mein Milieu nicht wissenschaftlich geschult sind. Alles, was clever klingt, weil es vorgibt über Mainstream-Wissen hinaus zu gehen. Und dann noch zum eigenen Gefühl und der eigenen Erfahrung passt (z.B. dass es Eliten gibt, die mein Leben nicht verstehen und irgendwie strukturell immer besser davon kommen als ich selbst). Das wird als Wahrheit akzeptiert. Bezüge dieser Versatzstücke untereinander werden nicht geprüft – ob sich diese Wahrheiten, an die ich alle glaube, vielleicht widersprechen und gegenseitig ausschließen – wird gar nicht erst wahrgenommen oder zumindest nicht ernstgenommen. Ein Schulterzucken und sinngemäß: „na is doch eh alles so kompliziert heutzutage, dass ich das gar nicht überprüfen kann, auch was du mir jetzt erzählen willst, kann ich nicht prüfen – passt eh nie alles zusammen – aber xy überzeugt mich halt“. Teilweise werde ich als jemand wahrgenommen, der Wissenschaft kapiert, und dann wird mir empfohlen „schau doch mal das Video von xy, der diesen ganzen Corona-Aussagen nachgegangen ist und mit Zahlen und Grafiken und so das richtig auseinandernimmt – der sagt voll das kann doch gar nicht stimmen“. Also etwas wirkt wissenschaftlich, weil jemand sich auf wissenschaftliche Quellen bezieht, der präsentiert dann Zahlen und Grafiken – das muss also der Wissenschaft ebenbürtig sein. Und der sagt, was ich (durch meine Filterblase) glaube, also siehste mal, hab ich doch recht! Die Kapazität fehlt, die wissenschaftlichen Methoden, den Gültigkeitsbereich der Aussage bzw. logische Widersprüche zu prüfen und die Güte von Quellen einzuschätzen. Außerdem natürlich Lust und Zeit, mal wirklich eine Sache zu analysieren – ich habe dann versucht in dem Gespräch die Frage nach Gefährlichkeit von Corona und Wirksamkeit der Impfung mal systematisch durchzugehen – dafür fehlte jegliche Geduld, das Thema wurde gewechselt. Nun werde ich also als jemand wahrgenommen, der gebildet ist (studiert hat) und sich für Themen interessiert – und doch reicht das nicht aus, mir mal lange genug zuzuhören, bis ich meine Gegenmeinung darlegen kann. Kognitive Dissonanz mit einer Leichtigkeit übergebügelt, dass ich quasi mit offenem Mund stehen bleibe. Wenn ich diesen verschiedenen Meinungen aus verschiedenen Milieus so zuhöre – abgeleitet aus dem Leben einer Person, kann ich die Leute ja gar nicht mal unsympathisch und mir unterlegen empfinden – aber dennoch ist es absurd, dass die aus ihrem gefühlten Wissen eine Haltung zur Welt ableiten, die ich in ihren Konsequenzen als Selbstzerstörung empfinde.

Oder so lapidare Aussagen – da wurde z.B. gelästert, dass jetzt, wo die Inzidenzen wieder steigen, darüber nachgedacht wird, die kostenlosen Tests wieder einzuführen – die hätte man aus Sicht der Ungeimpften hier natürlich nie einstellen sollen und die lachen darüber, dass sie jetzt vielleicht wieder kommen, wie dämlich „die“ doch sind. Inzwischen ging mir durch den Kopf, dass man ja eigentlich vorhatte, die Leute zur Impfung zu bewegen, wenn der Test nicht mehr reicht, um überall rein zu kommen oder der Test zumindest jedes Mal extra kostet. Obwohl ich sonst (schon um mir das Leben hier nicht unnötig schwer zu machen) wenig kontra gebe, habe ich also gesagt „oder ihr geht euch halt mal impfen lassen“ – Reaktion „na klar. Siehste doch, was das hilft“ (in Anspielung an den Ausgangspunkt des Gesprächs, nämlich die steigende Inzidenz). Da kann ich nur mit den Augen rollen. Natürlich hätte ich jetzt darauf hinweisen können, dass die Inzidenz hier in Sachsen besonders hoch ist, wo die Impfquote besonders niedrig ist. Und dass die Inzidenz erstmal davon spricht, wieviele sich infizieren, was aber nicht so dramatisch wäre, wenn durch Impfung deutlich weniger schwere Verläufe dabei wären. Aber wie gesagt will ich mir das Leben hier nicht schwer machen und kann leider auch nicht glauben, dass etwas anderes als meine Isolation oder gar Anfeindung dabei raus käme. Da sind wir bei der Zersplitterung. Selbst wenn ich hier eigentlich keinen schlechten Stand habe, mit Leuten mal ein Schwätzchen halte und von manchen als intelligenter Mensch wahrgenommen werde – die Filterblasen bringe ich nicht zum Platzen. Und dann sind wir auch beim nächsten Punkt: dem was in den Filterblasen passiert. Wenn man die Doku „Königsmacher“ zur Polit-PR zur Grundlage nimmt und mit der Debatte über Twitter und Facebook bei den Trump-Anhängern bzw. der Kritik von Facebook-Insidern an deren Algorithmen und Geschäftsmodell abgleicht… Tja, da kann ich nicht mehr glauben, dass rein zufällig spaltende Inhalte solche Blasen bilden und bespielen. Da könnten Absichten dahinterstecken. Und diese Leute hier, die sich nicht impfen lassen wollen, bundesdeutsche Politik im Wesentlichen ablehnen und verunglimpfen und selbst keinerlei realistische Idee haben, was verbessert werden müsste und was sie stattdessen wollen – die nutzen alle Facebook! Und ich aus Überzeugung schon lange nicht mehr.

Übrigens passt diese Problematik der Zersplitterung und des Mangels an konstruktiv-realistischen Alternativen genau zu meinem Ansinnen hinter dem Titel Silberstreif.

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