Klimakrise

Mir fiel kürzlich auf, dass es in Berichten über den Klimawandel häufig heißt, das Thema sei plötzlich auf die Tagesordnung gekommen. Oder noch vor zehn Jahren hätte da niemand drüber nachgedacht. Auf einmal haben wir diese Herausforderung.

Aber das stimmt schlichtweg nicht. Es versträrkt bei Skeptikern vielleicht das Glaubwürdigkeitsproblem im Sinne „wie kann es denn sein, dass auf einmal so etwas drastisches gelten und unser Leben umkrempeln soll? Das kann doch alles nicht sein!“ – Und das ist gefährlich.

Es kann auch sein, dass Medien das gern sagen, da sich Neuigkeiten immer besser verkaufen… Es kann sein, dass Politiker das gern sagen, damit man sie nicht in die Pflicht nimmt, dass sie seit Jahren ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Wenn das Problem erst neu ist, kann doch niemand verlangen, dass wir schon fertige Lösungen haben. Es kann sein, dass wir psychologisch gesehen alle den Hang zur Notlüge haben. Wir geben uns lieber überrumpelt, als zuzugeben, dass wir eigentlich schon ewig verdrängen, dass wir etwas tun sollten.

Ich habe mich dabei ertappt, dass es auch auf mich Eindruck macht, wenn von einer plötzlichen, großen – ja epischen – Herausforderung gesprochen wird. Wenn Erkenntnisse darüber anmoderiert werden, wie wir mit einer gewissen Trägheit über einen tipping point hinaus rauschen könnten (aktuell sieht alles danach aus! Der bereits angerichtete Schaden wirkt weiter, bis es besser wird, könnte es schon zu spät sein!) – das schockiert mich. Aber es ist eben auch irgendwie Quatsch. Denn es paralysiert anstatt in kleinen, vorstellbaren Schritten zum Handeln zu motivieren. Und es ignoriert die lange Geschichte, die zur Erkenntnis vom Treibhaus-Effekt geführt hat und die schon lange im kollektiven Bewusstsein herumdümpelt, ohne dass sich irgend jemand persönlich angesprochen fühlte. Kostprobe? Hier mal eine willkürliche Liste aus Beispielen, die mir spontan einfielen – (weit entfernt von vollständig oder aufeinander aufbauend):

1973 – Film: Soylent Green
1976 – Anhörung im Kongress der USA, der junge Abgeordnete Al Gore lässt Wissenschaftler vor Politikern zum Thema Klimawandel sprechen
ab 1990 – Zeichentrick-Serie: Captain Planet (mindestens 1992 gab es auch eine Folge über den Treibhauseffekt)
1992 – Musik: Saxon „Hole in the Sky“ (über das Ozonloch)
1995 – Film: Waterworld

Mit dieser – wie gesagt kleinen und rein willkürlichen – Auswahl sollte mensch bewusst werden, wie lange bereits dramatische Warnungen vor menschlichem Einfluss auf Klima und Ökosystem einem breiteren Publikum zugänglich sind. Es ist nicht entschuldbar, bei diesem Thema überrascht zu tun oder rumzueiern, dass unklar wäre, was es mit dem eigenen Verhalten zu tun hat. Jede*r kann aktiv werden und wir sind aufgefordert uns schnellstmöglich zusammen zu tun, um echte Rettungsmaßnahmen einzuleiten! Wenn es Streiks oder Revolutionen braucht, dann ist das eben so. Jetzt mal anzufangen, sich mit dem Thema zu befassen, ist absolut lächerlich!



Symbolpolitik

…ein klassisches Problem und eine unerwartete Folge von Demokratie.

Wir denken „wenn die Bürger*innen mitbestimmen, kommt was gerechteres dabei heraus, die Bürger*innen sind zufrieden“ – stattdessen: eben weil die Bürger*innen entscheiden (Wahlen + Stimmungen), wird Politik gemacht um zu gefallen (die aber manchmal inhaltlich gerade nicht das ist, was die Gesellschaft braucht).

Symbolpolitik heißt: Entscheidungen treffen, die so klingen, als tut mensch etwas gegen ein aktuelles Problem, die aber nicht wirklich zum gewünschten Ergebnis führen (können).
Beispiel: Obergrenze für Zuwanderung. Klingt konkret, ist aber Unsinn, denn ein Einreisestopp ist gar nicht durchführbar, Recht auf Asyl bleibt – wir können also gar nicht pauschal nach Zahl ablehnen, Fluchtursachen bleiben, Frust im Inland richtet sich gegen Zuwander*innen kommt aber aus anderen Quellen, Radikale fühlen sich nicht beschwichtigt sondern bestätigt…

Wenn sich Politiker*innen für Symbolpolitik mehr Zustimmung erhoffen (können) als für echte Lösungen, entsteht Murks gerade DURCH das demokratische Verständnis (eigentlich wollen wir Bürger*innen ja, dass Politiker*innen „auf uns hören“).

Was wäre die Lösung?

  • Bürger*innen sind besser informiert und bereit nach Logik statt Bauchgefühl zu entscheiden.
  • Politiker*innen schlagen mehrere Lösungen vor und vergleichen, welche Folgen jeweils zu erwarten sind.

Warum passiert das nicht?

  1. Bürger*innen sind intellektuell und emotional ungebildet (Selbstreflexion „warum bin ich unzufrieden?“ „suche ich einen Sündenbock?“ „kenne ich die Zusammenhänge?“) bzw. zu beschäftigt mit anderem kein Vorwurf! Dafür können die Bürger*innen auch nicht (immer)!
  2. Wenn Politiker*innen mehrere Lösungen vorschlagen und die Folgen abwägen würden, wird deutlich, dass sie auch nicht alles wissen und beeinflussen können. Dadurch stehen sie nicht als starke Anführer da – das wünschen sich aber viele Menschen.
  3. Politiker*innen können sich beliebt machen und in Konkurrenz zu anderen Politiker*innen durchsetzen, wenn sie „laut poltern“ und einfache Antworten anbieten (Gegenmodell ist Angela Merkel, sie kündigt gar nichts an und entscheidet je nach Situation, was die Machtverhältnisse hergeben. Wer nichts verspricht, kann nichts brechen.)
  4. Wer sich durchsetzt entscheidet, also gibt es zwar Politiker*innen, die es ehrlicher und vorsichtiger versuchen, aber gerade WEIL wir eine Demokratie haben, kommen die selten an die Macht (kämen sie in einer Diktatur aber auch nicht).

Können wir also nur aufgeben – hat ja eh keinen Sinn?

  1. Dann wäre es womöglich noch schlimmer, weil jede Mahnung an Vernunft fehlt. Kritik, Fragen und alternative Ideen der Bürger*innen werden von Medien und Politiker*innen trotzdem wahrgenommen!
  2. Vielleicht lässt sich durch gutes Vorbild und Aufklärung der Prozentsatz derjenigen erhöhen, die echte Lösungen wollen. Viele Änderungen in der Politik haben durch soziale Bewegungen begonnen – Französische Revolution, Frauenwahlrecht, Umweltschutz…
  3. Erst wenn sich die Macht solcher Bewegungen zeigt, reagiert der demokratische Parteiapparat, sie sollen ja schließlich die Bürger repräsentieren, wenn es also keine konstruktiven oder (radikal) neuen Vorschläge aus sozialen Bewegungen gibt, was sollen Parteien dann repräsentieren? Eben. Immer die gleichen alten hilflosen Versuche, etwas zu ändern, ohne wirklich etwas zu verändern. Oder eben die destruktiven Vorschläge.

Das mit „Bürger ungebildet“ ändert sich gerade – Kitas und Schulen heute haben weniger autoritären Stil, Kinder üben Mitbestimmung (nicht als laissez faire sondern mit Verantwortung). Das ist zumindest eine Grundlage für neue Bürger*innen (und neue Politiker*innen, die waren ja auch mal Kinder).